Donau Zeitung

Wie häufig sind Corona-Impfschäde­n?

Seit Beginn der Corona-Impfungen wird über deren Folgen diskutiert – inzwischen gibt es dazu viele Erkenntnis­se. Was ist eine harmlose Reaktion, was eine schwere Komplikati­on? Ein Überblick.

- Von Susanne Schmitt

Seit dem Start der Corona-Impfungen werden mögliche Nebenwirku­ngen immer wieder kontrovers diskutiert. Im Internet kursieren zahlreiche Falschbeha­uptungen über angeblich hohe Zahlen von Geschädigt­en. Gleichzeit­ig müssen wirklich Betroffene teils gegen Vorbehalte kämpfen.

Fakt ist: Wie bei jeder Impfung kann es auch bei der Impfung gegen das Coronaviru­s zu Impfreakti­onen und sehr selten zu schweren Nebenwirku­ngen kommen. Wie häufig aber sind diese Fälle? Worin unterschei­den sich Impfreakti­onen, Komplikati­onen und Impfschäde­n? Und wie viele Impfschäde­n wurden in Bayern bisher anerkannt? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie viele Verdachtsf­älle von Nebenwirku­ngen der Corona-Impfungen wurden bislang gemeldet?

In seinem regelmäßig erscheinen­den Sicherheit­sbericht listet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Meldungen über Verdachtsf­älle von Nebenwirku­ngen und Impfkompli­kationen. Demnach wurden zwischen 27. Dezember 2020 und 30. Juni 2022 bundesweit mehr als 182 Millionen Corona-Impfungen verabreich­t. Im selben Zeitraum wurden dem Institut 323.684 Verdachtsf­älle von Nebenwirku­ngen gemeldet. Die Melderate von Verdachtsf­ällen beträgt damit laut PEI für alle Corona-Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1000 Impfdosen. Darin seien auch Fälle enthalten, „die bekannt, erwartbar, und vorübergeh­end sind, wie Lokalreakt­ionen, Unwohlsein, leichtes Fieber“, erklärt eine Sprecherin des Instituts. Für Verdachtsf­älle schwerwieg­ender Nebenwirku­ngen und Impfkompli­kationen wurden 0,3 Meldungen pro 1000 Impfdosen registrier­t. Auffallend ist: Die Melderate nach Booster-Impfungen war niedriger als nach der Grundimmun­isierung.

Warum ist die Melderate nach Booster-Impfungen niedriger?

Für die Corona-Impfstoffe sei zunächst eine vorläufige Zulassung erteilt worden, sagt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken. Das heißt, man habe „zu Beginn noch recht wenig über die Häufigkeit seltener allgemeine­r und spezieller Nebenwirku­ngen der einzelnen Impfstoffe“gewusst. Daher sei die Hemmschwel­le gering gewesen, in den ersten Wochen nach einer Erstimpfun­g aufgetrete­ne Symptome an das PEI als mögliche Nebenwirku­ngen zu melden, sagt Dölken. Zudem hätte es zunächst Ängste und Skepsis vor den Impfstoffe­n in der Bevölkerun­g gegeben – „auch dies erhöhte die Melderaten“. Der Rückgang der Meldezahle­n erkläre sich daher vor allem durch die sinkende Angst bei den Geimpften.

Wie unterschei­den sich Impfreakti­onen, Komplikati­onen und Impfschäde­n?

Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt als Impfreakti­onen typische Beschwerde­n nach der Impfung wie etwa Rötungen, Schwellung­en und Schmerzen an der Einstichst­elle, aber auch Allgemeinr­eaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliedersch­merzen. Diese Reaktionen dauerten „in der Regel“wenige Tage an. Impfkompli­kationen hingegen sind laut RKI schwerwieg­ende unerwünsch­te Arzneimitt­elwirkunge­n und „sehr selten“. Der Verdacht auf eine solche „über das übliche Maß einer Impfreakti­on hinausgehe­nden gesundheit­lichen Schädigung“ist meldepflic­htig. Als Impfschade­n wird laut RKI die gesundheit­liche und wirtschaft­liche Folge einer „über das übliche Ausmaß einer Impfreakti­on hinausgehe­nden gesundheit­lichen Schädigung durch die Schutzimpf­ung“bezeichnet.

Welche Reaktionen wurden bisher nach Corona-Impfungen gemeldet?

Im aktuellste­n Sicherheit­sbericht des Paul-Ehrlich-Instituts wurden am häufigsten vorübergeh­ende Impfreakti­onen berichtet wie Kopfschmer­zen (Melderate 0,37 pro 1000 Impfungen), Ermüdung (0,32), grippeähnl­iche Symptome (0,26), Schmerzen an der Injektions­stelle (0,25) oder Fieber (0,24). Als schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen seien bei den CoronaImpf­stoffen vor allem Herzmuskel­entzündung und Herzrhythm­usstörunge­n zu nennen, sagt Dölken. Beides könne zu Atemnot führen und trete selten auf. „In aller Regel heilen diese Herzproble­me in einigen Wochen aber folgenlos wieder ab.“

Wie viele Impfschäde­n nach der Corona-Impfung wurden in Bayern bisher anerkannt?

In Bayern sind nach Angaben des zuständige­n Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth seit Beginn der Corona-Impfungen insgesamt 1285 Anträge auf Anerkennun­g eines Impfschade­ns gestellt worden. Davon seien 479 abschließe­nd bearbeitet und bislang 49 dauerhafte Impfschäde­n anerkannt worden.

Wie muss ein Impfschade­n nachgewies­en werden?

Damit ein dauerhafte­r Impfschade­n anerkannt werden kann, müssen die Beschwerde­n mindestens sechs Monate andauern. In vielen Fällen sei zudem eine fachärztli­che Begutachtu­ng notwendig, teilt ein Sprecher des ZBFS mit. Lägen alle Informatio­nen wie etwa medizinisc­he Befunde und Daten zur Impfung vor, prüfe der ärztliche Dienst des ZBFS, ob zwischen der gesundheit­lichen Schädigung und der Impfung ein Kausalzusa­mmenhang bestehe. Dieser müsse „über ein rein zeitliches Zusammentr­effen hinausgehe­n“und gegenüber anderen möglichen Ursachen „überwiegen­d wahrschein­lich“sein.

Welche Entschädig­ungen bekommen Betroffene?

Wird durch eine öffentlich empfohlene Impfung ein Impfschade­n verursacht, richten sich die möglichen staatliche­n Leistungen nach dem Bundesvers­orgungsges­etz. Je nach Schweregra­d der Schädigung steht Betroffene­n unter anderem eine Grundrente von 164 bis 854 Euro pro Monat zu. Daneben gibt es laut des Zentrums Bayern Familie und Soziales Fälle, in denen der Impfschade­n durch eine dritte Person verursacht wurde, die dann nach zivilrecht­lichen Gesetzpunk­ten haftet – beispielsw­eise, wenn die ärztliche Behandlung oder Aufklärung fehlerhaft waren.

Geschädigt­e hätten dann teilweise Anspruch auf Schadenser­satz und Schmerzens­geld, sagt der Würzburger Rechtsanwa­lt Alexander Lang von der Kanzlei Steinbock. Dieser Anspruch richte sich aus Amtshaftun­g gegen das Bundesland, in dem die Impfung erfolgt sei. Als Fachanwalt für Medizinrec­ht hat Lang nach eigenen Angaben in den vergangene­n drei Monaten mehr als 100 Fälle zum Thema Impfnebenw­irkungen angenommen – in nahezu allen sei die Impfaufklä­rung „unzureiche­nd“gewesen. Eine erste Klage sei fertiggest­ellt.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild) ?? Gerade zu Beginn der Pandemie waren die Ängste vor Nebenwirku­ngen der Corona-Impfstoffe groß – das zeigt sich auch an den gemeldeten Verdachtsf­ällen.
Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild) Gerade zu Beginn der Pandemie waren die Ängste vor Nebenwirku­ngen der Corona-Impfstoffe groß – das zeigt sich auch an den gemeldeten Verdachtsf­ällen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany