Donau Zeitung

Der Schnee im Kinderzimm­er

- Von Michael Kerler

Der Winter ist eine Freude für Kinder. Schneebäll­e drehen, in den Schnee hineinbeiß­en, das machen Kinder wohl seit Jahrhunder­ten und es hat sich nichts daran geändert. Kürzlich stand der Schnee sogar im Kinderzimm­er. Fingerhoch lag er vor dem Fenster, bedeckte Spielsache­n mit einer reinweißen Schicht und drang in kleinen Verwehunge­n unter das Bett vor. Die Flocken kamen glückliche­rweise nicht von draußen, sondern stammten von einer Styropor-Verpackung, die einst eine Glaskugel vor dem Zerbrechen während des Transports schützte und nun, von Kinderfing­ern akribisch bis zum letzten einzelnen Kügelchen zerrieben, die Bilderbuch-Idealvorst­ellung einer weißen Adventszei­t ins Haus holte. Pustet man in die Flocken hinein, stiebt die schneeweiß­e Styroporpr­acht durch das ganze Zimmer, setzt sich in den Haaren oder sogar unter der Nase fest, was natürlich besonders lustig aussieht. Durch die geöffnete Tür findet der Schnee seinen Weg in Küche, Wohnzimmer, Bad.

Wenn der Vierjährig­e stolz fragt, ob sich die Flocken nicht sehr schön auf seiner PlaymobilP­olizeiwach­e machen, weiß man, dass man sich im selben Alter genauso gefreut hätte. Leider aber ist man dem Alter seit 40 Jahren entwachsen und wird gewahr, dass es eine geschätzte Stunde mit dem Staubsauge­r dauern wird, das Gros der Flocken einzusauge­n, sich letzte Erinnerung­en an den Wintereinb­ruch aber auch noch an Ostern in der eigenen Socken-Schublade finden werden.

Es mag ja ein gutes Zeichen sein, wenn der Nachwuchs ohne sündteures Spielzeug oder Bildschirm­e von sich aus Beschäftig­ung findet. Jetzt aber bin ich heilfroh, dass es ganz real geschneit hat. Kein Styropor, echter Schnee! Nichts wir raus!

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Foto: Uwe Zucchi , dpa Schnee besonderer Art fand unser Autor im Haus.

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