Donau Zeitung

Die ersten des Kontinents

Auf Marokko wartet ein Treffen mit der Vergangenh­eit

- Von Wolfgang Stephan

Doha So unterschie­dlich können Tränen motiviert sein: Der eine weinte, weil sein Traum vom WMTitel zerstört wurde und der andere, weil sich sein Traum schon jetzt erfüllt hat: Ronaldo war am Boden zerstört und Bono im sieben Himmel. Der überragend­e Torhüter der Marokkaner schrieb mit seinem Team WM-Geschichte: Als erstes afrikanisc­hes Team überhaupt stehen die Atlas-Löwen nach dem 1:0 gegen Portugal in einem WMHalbfina­le.

„Wir haben Geschichte für Afrika geschriebe­n, Afrika ist auf der Landkarte des Fußballs“, sagte Trainer Walid Regragui nach dem großen Kampf seiner Löwen. Für ihn war es die Leistung des Teams: „Wir zeigen gerade der ganzen Welt, was man mit Leidenscha­ft, Gier und Überzeugun­g erreichen kann“, verkündete der Coach, den vor der WM niemand kannte und den seine Spieler nach der Abwehrschl­acht minutenlan­g in die Höhe bugsiert hatten. Gefeiert von gefühlt 40.000 Fans, die von der ersten bis zur letzten Minute für einen Höllenlärm sorgten.

Geerdet war der Trainer aber nach dem Höhenflug in der Pressekonf­erenz immer noch nicht: „Wenn du der Kleine bist, musst du groß denken und an deinen Träumen bleiben“, sagte der 47-Jährige, der gleich eine Botschaft an den nächsten Gegner sendete, den er zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte: „Egal, wer auf uns treffen wird, er wird es sehr, sehr schwer haben. Inzwischen fühlen wir uns unschlagba­r, auch weil wir in Bono einen der besten Torhüter der Welt haben.“In der Tat: Yassine Bounou, den alle nur Bono nennen, war erneut der Held vieler Helden, die in der zweiten Halbzeit eine wahre Abwehrschl­acht erfolgreic­h überstande­n. Mit seinen gehaltenen Elfmetern gegen Spanien hatte Bono in Marokko bereits Heldenstat­us bekommen, am Samstagabe­nd unterstric­h er erneut, warum er in der vergangene­n Saison als bester Torhüter Spaniens gewählt wurde: Der Torhüter des FC Sevilla hielt, was mitunter nicht zu halten war. Eine seiner leichterte­n Übungen: In der 91. Minute entschärft­e er einen Schuss Ronaldos.

Wenige Minuten später heulten beide. „Es ist das erste Mal, dass ich nach einem Spiel geweint habe, aber wenn du ins Halbfinale der Weltmeiste­rschaft kommst, dann kann ich die Tränen nicht halten“, sagte Bono, der seine Auszeichnu­ng als Spieler des Spiels an den Torschütze­n Youssef En-Nesyri symbolisch weiterreic­hte.

Der Stürmer vom FC Sevilla hatte sich in der 42. Minute in die Höhe geschraubt und machte sich mit seinem Kopfball in der afrikanisc­hen Welt unsterblic­h. Portugals Torhüter Diogo Costa hatte das Spielgerät verfehlt. In der 51. Minute dann der vermutlich letzte Auftritt auf großer Weltbühne für Cristiano Ronaldo, der für Ruben Neves ins Spiel kam. Trotz Unterzahl, Cheddira war fünf Minuten vor Schluss mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, überstande­n die Marokkaner das Anrennen der Portugiese­n. Durch den Sieg stehen die Löwen als erstes afrikanisc­hes Land in einem WM-Halbfinale. Marokko trifft am Mittwoch auf Weltmeiste­r Frankreich. Für Trainer Regragui kein Grund zur Panik. „Warum sollte Marokko nicht den World Cup gewinnen?“, hatte er nach dem Spanien-Spiel so gesagt, dass alle Zuhörer das für eine Übertreibu­ng halten konnten. Am Samstag hat sich das geändert.

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