Reuter rät DFB zu Sportdirektor
Der Sport-Geschäftsführer des FC Augsburg hat sich intensiv mit der Fußball-Weltmeisterschaft beschäftigt. Für einen WM-Talk, auf einem Kreuzfahrtschiff.
Augsburg Dick eingepackt in einem langen schwarzen Anorak des Ausrüsters und mit einer blauen Wollmütze auf dem Kopf verfolgte Stefan Reuter, der Sport-Geschäftsführer des FC Augsburg am Samstag den 3:0 (3:0)-Testspielsieg seines Teams gegen die Grashoppers Zürich.
Lukas Petkov (27.), Frederik Winther (37.) und Arne Maier (41.) hatten schon in der ersten Hälfte in einem munteren Testspiel getroffen. Damit beendete der FCA seine erste Trainingswoche nach der ersten Urlaubsphase in der langen WM-Pause im dichten Schneetreiben und beim Temperaturen um den Gefrierpunkt. Daran mussten sich nicht nur die Spieler in ihren kurzen Hosen und dünnen Trikots gewöhnen, sondern auch Reuter.
Der war in seinem Urlaub über zwei Wochen in warmen Gefilden unterwegs. Er machte mit seiner Frau Annette über zwei Wochen eine Kreuzfahrt auf dem HapagLloyd-Luxusschiff MS Europa 2 von den Malediven über Indien und Thailand nach Malaysia. Zum ersten Mal. „Es war für mich eine tolle Erfahrung, ein tolles Schiff und eine tolle Reise“, erzählte Reuter. Zumal er den Urlaub mit Fußball verbinden konnte. Denn er war eingeladen, zusammen mit Jörg Wontorra an Bord die WM-Partien zu analysieren. „Das war für mich eine gute Gelegenheit, mich intensiv mit der WM zu beschäftigen.“
Dass das gerade angesicht des frühen Ausscheidens der deutschen Nationalmannschaft nicht immer großen Spaß machte, verhehlte Reuter nicht: „Das Turnier war aus deutsche Sicht extrem enttäuschend.“
Trotzdem habe er an Bord eine große Leidenschaft für den Fußball bei den anderen Passagieren gespürt: „Die Deutschland-Spiele waren teilweise nachts um zwei Uhr, aber es herrschte trotzdem ein unglaubliches Interesse an den Spielen und an den Talkrunden.“
Für ihn war die unnötige 1:2-Niederlage gegen Japan schon im ersten Spiel ausschlaggebend: „Die schlechte halbe Stunde gegen Japan haben wir extrem teuer bezahlt. Das Ergebnis gegen Japan hat uns im Endeffekt zum Weiterkommen gefehlt“, erklärte er. Ansonsten seien die Spiele auch gegen Spanien (1:1) und Costa Rica (4:2) teilweise gar nicht so schlecht gewesen. Reuter: „Wir hatten eine gute Mannschaft, aber viel zu leichtfertig Gegentore kassiert, Zweikämpfe verloren. Wir schaffen es nicht, geschlossen und gut zu verteidigen und konzentriert zu bleiben.“
Selbst gegen Costa Rica sei ein Kantersieg durchaus möglich gewesen. Aber: „Uns fehlt die Effektivität neben dem Schönspielen. Man braucht auch die Gier, Ergebnisse erzielen zu wollen. Die hat man eigentlich nur bei Niclas Füllkrug gesehen.“Dass nach dem zweiten Vorrundenaus in Folge die Kritik heftig ausfiel, versteht Reuter: „Wenn du als Deutschland in der Vorrunde ausscheidest, musst du so eine Kritik hinnehmen. Dann musst du alles genaustens analysieren und hinterfragen.“
Diese Aufarbeitung hätte er sich aber im Team vorgestellt. Die Trennung von Oliver Bierhoff hält er für falsch: „Ich hätte mir gewünscht, dass man sich zusammensetzt und überlegt, was können und müssen wir verändern. Er hat in den 18 Jahren sehr viel Erfahrung gesammelt. Auf diese muss man jetzt verzichten.“Dass man beim DFB Dinge verändern muss, sei vollkommen klar nach so einer Situation.Er verteidigt aber auch den ehemaligen Geschäftsführer Nationalmannschaft und Jugend: „Ich finde, er hat viele Dinge auch richtig gut gemacht, aber ich denke, dass beim ihm insgesamt viel zu viele Themen auf dem Schreibtisch lagen.“
Reuter rät dem DFB die Stelle des Sportdirektors wieder einzuführen. Dieser Posten war zuletzt unter Bierhoff nicht besetzt: „Es ist sinnvoll, wieder jemand für den Sport, auch für die A-Nationalmannschaft, hinzuzunehmen. Dass es seit einigen Jahren keinen Sportdirektor mehr gibt, geht eigentlich nicht. Dies ist eine Position, die zwingend mit einem Spezialisten zu besetzen ist.“Die Frage, ob er sich das selbst vorstellen könnte, verneint er. „Das ist überhaupt kein Thema. Ich habe hier beim FCA eine extrem gute und interessante Aufgabe. Und ich werde mich auf keinen Fall da irgendwie ins Gespräch bringen.“
Dabei hat der 56-jährige Reuter einen sehr guten Draht zu Bundestrainer Hansi Flick, 57. Beide spielten von 1988 bis 1990 beim FC Bayern München, teilten sich bei Auswärtsspielen oder Trainingslagern sogar ein Zimmer. Dass Flick im Amt bleibt, begrüßt Reuter. „Ich glaube, dass er die eine oder andere unglückliche Entscheidung bei seinen Wechseln getroffen hat. Und er hatte auch das Pech, dass er nie mit einer eingespielten Abwehr agieren konnte. Um ein Turnier zu gewinnen, brauchst du eine stabile Abwehr und eine gute Restverteidigung. Aber ich halte sehr viel von ihm. Er ist trotz allem der richtige Mann für die EM 2024.“