Braucht unsere Region eine Kinderklinik?
Mit solch einer Einrichtung will die Donau-Rieser Kreistagsfraktion der CSU/AL-JB die Versorgungslücke schließen. Als Standort käme das Klinikum Nördlingen in Betracht.
Nördlingen Die Kinderkliniken in der Region schlagen Alarm. Die Masse an jungen Menschen mit Atemwegserkrankungen ist neu, sagen Ärzte. Medizinerinnen und Mediziner im Ries berichten von einer schlimmen Krankheitswelle. Müssen kranke Kinder in eine Kinderklinik gebracht werden, fahren Rieser Eltern je nach Wohnort zwischen einer Dreiviertelstunde nach Aalen oder einer Stunde nach Augsburg. Doch die Kliniken haben kaum noch Spielraum, heißt es beispielsweise aus Augsburg. Die Not ist groß. In dieser Woche hat die Donau-Rieser Kreistagsfraktion der CSU/AL-JB deshalb eine Entscheidung getroffen: In einem Antrag fordert sie eine Kinderklinik für einen der Krankenhaus-Standorte im nördlichen Landkreis.
Favorit ist laut CSU/AL-JBSprecher Steffen Höhn das Stiftungskrankenhaus in Nördlingen. Im Antrag, der unserer Redaktion vorliegt, fordert die Fraktion, nach Prüfung bei den zuständigen Gremien wie dem Verwaltungsrat des gemeinsamen Kommunalunternehmens gKU, entsprechende Anträge für die Kinderklinik beim bayerischen Gesundheitsministerium zu stellen – sprich, die Planung auf den Weg zu bringen.
„Wir sehen aktuell eine dramatische Lage an den Kinderkliniken in Deutschland und Bayern. Eine hohe Anzahl an kleinen Patienten mit Atemwegsinfekten und Viruserkrankungen bringt die Aufnahmekapazitäten der auf Kinderheilkunde spezialisierten Intensivund Normalstationen an und über ihre Grenzen“, heißt es in dem Schreiben, das von Höhn und Fraktionsvorsitzendem Ulrich Lange unterzeichnet ist. Es sei nicht verwunderlich, dass die Problematik auf die Ballungszentren treffe, da die Kinder aus den ländlichen Gebieten vor Ort nicht versorgt werden könnten. Stattdessen würden sie in die Spezialkliniken wie Augsburg oder Aalen verwiesen.
Die Fraktion sehe dringenden Handlungsbedarf und kritisiert die starke Zentralisierung der medizinischen Versorgung. Sie „versagt“im Falle von Erkrankungswellen. Wäre eine Kinderklinik im nördlichen Landkreis Donau-Ries angesiedelt, würden die umliegenden Einrichtungen entlastet werden. In dem Antrag wird auch auf die Regelund Notfallversorgung von Kindern im Ries hingewiesen. Bei Erwachsenen gelte, dass die nächste Notfallversorgung nicht länger als 30 Minuten entfernt sein soll. „Dieses Zeitlimit fordern wir auch für Kinder! Der Standort Nördlingen wäre ideal, um die Versorgungslücke in Nordschwaben zu decken“, so die Forderung. Nachdem auch die Kliniken im benachbarten Ostalbkreis umstrukturiert werden, sei dieser Schritt umso wichtiger. Das neue Zentralklinikum soll zwischen Aalen und Schwäbisch Gmünd entstehen, die Fahrzeit verlängere sich.
Nach Angaben der Christsozialen im Kreistag gibt es ein Gutachten von der Unternehmensberatung Roland Berger zur Weiterentwicklung des Medizinkonzepts am gKU. Eine Pädiatrie werde vor dem Hintergrund der Markt- und Wettbewerbssituation sowie des aktuellen Fachkräftemangels abgelehnt. Höhn erklärt im Redaktionsgespräch, dass jedoch derzeit auf hoher politischer Ebene die Krankenhausfinanzierung, insbesondere in der Kinderheilkunde, neu aufgestellt werde. „Das politische Fenster ist jetzt optimal“, sagt Höhn, um umzudenken. Für die nächsten zwei Jahre werden den Kinderkliniken beispielsweise Garantien für ihr Erlösvolumen gegeben, außerdem soll das System der Fallpauschalen geändert werden. Die Fraktion könne die finanziellen Bedenken von Berger deshalb nicht teilen. Ganz im Gegenteil.
Das Wettbewerbsargument erscheint den Kreispolitikern vor dem Hintergrund der aktuellen Systemüberlastung als „falsch, wenn nicht gar verantwortungslos“. Weiter heißt es im Antrag: „Wir müssen weg vom Wettbewerb, hin zur sicheren Grund- und Notfallversorgung, auch für Kinder.“
Als weiteres Argument für eine Kinderklinik im Ries zieht die Fraktion ein Entgegenwirken des Fachkräftemangels heran. So könnte die Dezentralisierung dazu beitragen, Fachkräfte für eine Ausbildung zu gewinnen. Das sei umso schwieriger, wenn der spätere Beruf nur in Augsburg, Aalen oder München ausgeübt werden könne. Weitere
Details zur Umsetzung einer Kinderklinik stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Höhn sagt, dass vor zwei Wochen das Thema der medizinischen Versorgung von Kindern auf einer Klausurtagung besprochen wurde. Am Mittwoch dieser Woche sei dann der Antrag vorbereitet worden, die Fraktion stehe geschlossen dahinter. Landrat und gKU-Verwaltungsratsvorsitzender Stefan Rößle sagt auf Nachfrage, dass man das Vorhaben Kinderklinik für Nördlingen durchaus prüfen könne. Es gebe jedoch viele Hürden wie die Krankenhausplanung im Freistaat, bei der Nördlingen nicht für eine Pädiatrie vorgesehen sei. Außerdem würde man ein neues Gebäude und neues Personal benötigen. Rößle sei sich der Bedeutung bewusst, warnte aber, zu euphorisch zu sein, selbst wenn momentan einige Dinge in Bewegung seien.