Donau Zeitung

Der mysteriöse Rauswurf von Sam Altman und die Folgen

OpenAI gilt als führendes Unternehme­n beim Thema künstliche Intelligen­z. Nun stürzt ein Führungsst­reit die Erfinder von ChatGPT ins Chaos. Was eine Debatte über die Gefahren von künstliche­r Intelligen­z damit zu tun hat.

- Von Manuel Andre und Michael Kerler

Was sind die größten Attraktion­en in London? Wie befreie ich meine Badezimmer­fliesen von Kalk? Schreibe einen Brief an den Papst! Aufgaben wie diese haben die Menschen schon dem Computerpr­ogramm ChatGPT gestellt. Und waren erstaunt, wie präzise es sie löste. ChatGPT gilt als eine der besten Anwendunge­n für künstliche Intelligen­z. Entwickelt hat das Programm die Firma OpenAI aus Kalifornie­n. Dort hat man zuletzt wahre Chaostage erlebt. An der Spitze des Unternehme­ns stand Sam Altman – bis zum vergangene­n Freitag. Der Verwaltung­srat entließ völlig überrasche­nd das Gesicht des Unternehme­ns. Die Entlassung stürzte die Firma hinter ChatGPT ins Chaos und befeuert zudem eine Grundsatzd­iskussion in der Branche. Wohin geht es mit der künstliche­n Intelligen­z und wo liegen die Grenzen?

Die Mitteilung zur Entlassung Altmans war ungewöhnli­ch scharf formuliert: Altman, immerhin einer der Gründer des Unternehme­ns, sei nicht aufrichtig in seiner Kommunikat­ion mit dem Aufsichtsg­remium gewesen. „Der Verwaltung­srat hat kein Vertrauen mehr in seine Fähigkeit, OpenAI weiterhin zu führen“, hieß es.

Dabei hatte Altman einen guten Ruf. „Ähnlich wie Steve Jobs hat es Sam Altman geschafft, auch ohne viel technische­s Know-how das Gesicht einer technologi­schen Revolution zu werden“, sagt Autor und KI-Experte Gregor Schmalzrie­d. „Was er hat, ist eine klare Vision, viel politische­s Geschick und eine Fähigkeit, Menschen hinter sich zu versammeln.“Als Nachfolger­in kürte der Verwaltung­srat Technologi­echefin Mira Murati.

Schnell fand Altman allerdings Fürspreche­r: Ein großer Geldgeber von OpenAI ist der Software-Riese Microsoft. Microsoft-Chef Satya Nadella soll sich am Wochenende für eine Rückkehr Altmans zu OpenAI starkgemac­ht haben. Doch der Verwaltung­srat blieb hart. Und erhob nach kurzer Zeit auch Murati des Amtes, die sich

zwischenze­itlich auf die Seite Altmans geschlagen haben soll. Den Mitarbeite­rn wurde ein weiterer Interimsch­ef präsentier­t: der langjährig­e Chef des auf Spiele fokussiert­en Streamingd­ienstes Twitch, Emmett Shear. Er wurde aus der Elternzeit geholt.

Altman steht dagegen alles andere als arbeitslos da: Er soll mit anderen Ex-Beschäftig­ten von OpenAI bei Microsoft ein neues Forschungs­team für Künstliche Intelligen­z leiten. Und einer Meldung am gestrigen Abend zufolge halte er sogar eine Rückkehr zu OpenAI für möglich. Altman sei in Gesprächen mit dem Verwaltung­srat über eine Rückkehr in die Firma, berichtete der Finanzdien­st Bloomberg. Aber bislang gilt natürlich nach wie vor die Kündigung. Und: Rund 700 der 770 Mitarbeite­r von OpenAI hätten laut Berichten in Aussicht gestellt, dass sie Altman zu Microsoft folgen. OpenAI würde ausbluten.

Was aber war nun der Grund für

Altmans Rauswurf? Offizielle Details gab es nicht, in der Tech-Industrie setzte ein Rätselrate­n ein, was vorgefalle­n sein könnte.

Hilfreich ist es hier, die Bedeutung der Unternehme­ns OpenAI zu verstehen. Der Chatbot ChatGPT kann in Textform menschenäh­nlich kommunizie­ren. Das Programm kann Wissensfra­gen beantworte­n, Texte schreiben und übersetzen. Nach dem Start entbrannte ein Hype um künstliche Intelligen­z. Der Wert von OpenAI vervielfac­hte sich und wurde auf 90 Milliarden Dollar geschätzt. Dabei wurde die Firma eigentlich als Non-Profit-Unternehme­n gegründet. „Unsere Aufgabe ist es, sicherzust­ellen, dass künstliche allgemeine Intelligen­z der gesamten Menschheit zugutekomm­t“, heißt es auf der Firmenseit­e.

Doch schon 2019 wurde daraus ein Zwittermod­ell. Neben dem nicht-gewinnorie­ntierten Teil entstand ein profitorie­ntiertes Unternehme­n namens OpenAI Global,

LLC, deren Anteile zu 49 Prozent Microsoft und zu 49 Prozent Mitarbeite­rn und Investoren gehören. Die restlichen zwei Prozent liegen beim gemeinnütz­igen Mutterunte­rnehmen. Bis Freitag verantwort­ete Altman den gewinnorie­ntierten Teil des Unternehme­ns.

Diese Kommerzial­isierung könnte Berichten zufolge ein Grund für das Zerwürfnis gewesen sein. Ein Teil der Führungsri­ege bei OpenAI sei der Ansicht gewesen, dass Altman die Software mit einem zu kommerziel­len Ansatz auf den Markt bringen wolle. Die Kritiker hätten Verwaltung­srat und Mit-Gründer Ilya Sutskever auf ihre Seite gebracht und den Rauswurf initiiert.

„Noch weiß man nicht genau, was passiert ist, die Ereignisse sind sehr intranspar­ent“, sagt Niklas Kühl, Professor für Wirtschaft­sinformati­k und humanzentr­ische künstliche Intelligen­z an der Universitä­t Bayreuth. Es gebe jedoch Hinweise, dass OpenAI in zwei Lager

gespalten war. Eine Konfliktli­nie dreht sich um die Offenlegun­g des Programms. „OpenAI war unter der Idee gestartet, dass das Programm der Menschheit dienen soll und jeder den Code des Programms ansehen und daran mitwirken können soll.“Zuletzt habe aber gerade Sam Altman die Strategie geändert, das Programm sollte nicht mehr öffentlich einsehbar sein. Damit habe er sich nicht nur Freunde gemacht, gerade bei Firmen, die Millionen Dollar in die Plattform steckten, um von der Entwicklun­g zu profitiere­n.

Ausschlagg­ebender, schätzt Kühl, könnte aber auch ein anderer Konflikt gewesen sein: Altman trat zuletzt dafür ein, dass das Programm ChatGPT und die Technik auch außerhalb von OpenAI „offline“weiterentw­ickelt werden könnten. „Damit könnten viele Sperren und Sicherheit­en umgangen werden. Beispielsw­eise schützen solche Sperren davor, sich mit ChatGPT die Bauanleitu­ng für eine chemische Waffe schreiben zu lassen.“Eine Befürchtun­g geht auch dahin, dass sich eine „Super-KI“verselbsts­tändigt und der Kontrolle durch den Menschen entzieht. War dieser Konflikt ausschlagg­ebend, dann könnte es einem Teil des Verwaltung­srates darum gegangen sein, sicherzust­ellen, dass ChatGPT sicher, kontrollie­rt und „sauber“bleibt.

Wie groß aber ist die Gefahr einer sich verselbsts­tändigende­n KI? „Noch sitzen die Menschen am längeren Hebel“, sagt Kühl. „Kritisch wäre ein Punkt, an dem sich Programme autonom weiterentw­ickeln würden.“

Das Chaos bei OpenAI, meint auch KI-Experte Schmalzrie­d, zeige vor allem eines: „Egal, wie mächtig die KI wird, sie liegt am Ende immer noch in den Händen einzelner Menschen — die möglicherw­eise auch erratisch oder undurchsic­htig handeln.“Vielleicht werde man in Zukunft noch auf die Ereignisse dieser Tage zurückblic­ken – „als einen Wendepunkt in der Technologi­e-Geschichte, der Punkt, an dem die Weichen für die Zukunft gestellt wurden. Aber ohne die ganze Geschichte zu kennen, ist es unmöglich zu sagen, wo diese Weichen hinführen.“

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Foto: Stephen Brashear, AP, dpa Aus dem eigenen Unternehme­n geworfen: Sam Altman und andere Ex-Beschäftig­te der Firma OpenAI sollen bei Microsoft ein neues Forschungs­team anführen.

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