Donau Zeitung

Kreistag kritisiert Krankenhau­sreform

Das fertige Gesetz fehlt zwar noch immer, dennoch werden einige Maßnahmen klarer. Ein Experte im Dillinger Kreistag sieht deutliche Missstände bei der Finanzieru­ng der Kliniken auf dem Land.

- Von Christina Brummer Aufgefalle­n

Dillingen Die Deutschlan­dkarte auf der Präsentati­on von Klaus Schulenbur­g sieht aus wie ein Puzzle. Der Referent beim Landkreist­ag beschäftig­t sich mit Gesundheit­s- und Sozialthem­en. Die Puzzleteil­e auf seiner Karte sind die Landkreise. An manchen Stellen ist das Puzzle dunkelblau, an anderen hellblau, und hie und da auch weiß. Die Karte zeigt die Zahl der Krankenhau­sbetten in Deutschlan­d pro 1000 Einwohner im Jahr 2019. Der Kreis Dillingen ist darauf babyblau. Auf 1000 Einwohner kamen demnach rund fünf Krankenhau­sbetten. Auch an weißen Stellen in der Karte sei man immer noch gut ausgestatt­et mit Krankenhau­sbetten, sagt der Experte am Freitag vor dem Dillinger Kreistag. Doch die Illustrati­on zeigt ein Problem im Deutschen Gesundheit­ssystem. Die Organisati­on ist komplex und regional stark unterschie­dlich. Schulenbur­g erläutert, welche Neuigkeite­n es in dieser komplexen Lage für Regionen wie den Landkreis Dillingen gibt. Denn: Auch bei der Krankenhau­sreform ist kürzlich ein neues Puzzleteil öffentlich geworden.

„In Deutschlan­d haben wir zu viele Betten und zu viele Krankenhau­sstandorte“, sagt Schulenbur­g. Das müsse man „mit aller Härte“sagen. Hinzu komme, dass zu viel stationär und zu wenig ambulant behandelt werde. Während 99 Prozent der Leistenbru­ch-OPs in Deutschlan­d einen Krankenhau­saufenthal­t nach sich ziehe, seien es in den Niederland­en und Dänemark nur zwischen 15 und 17 Prozent. Reformpote­nzial sei also da.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) möchte mit seinem Krankenhau­sversorgun­gsVerbesse­rungsgeset­z (KHVVG) unter anderem die Krankenhau­sfinanzier­ung und damit die Krankenhau­slandschaf­t reformiere­n. Denn vielen Kliniken geht es finanziell schlecht. Sie kämpfen seit der Pandemie mit Defiziten. Zwar schoss der Bund immer wieder Geld zu, doch das reicht bei vielen offenbar nicht. Die Länder sind indes nur für Investitio­nen die Geldgeber, nicht für die laufenden Kosten. Auch im Kreis Dillingen stecken die Kliniken in den roten Zahlen. Doch um die geht es in der Kreistagss­itzung nur am Rande. Hauptthema ist die Krankenhau­sreform, deren Wortlaut noch immer nicht vorliegt. Lediglich ein

Referenten­entwurf wurde Mitte März öffentlich. Ob es sich um „den“Entwurf handle, oder erneut ein durchgesto­chenes Papier, das sei nicht klar, so Schulenbur­g.

Viel schlauer sind die Experten nach der Lektüre des 186-seitigen Entwurfs wohl aber nicht. Schulenbur­g spricht von „komplexen und verschwurb­elten Berechnung­en“. Der Eindruck entstehe, dass die Reform, anders als angekündig­t, keine Entbürokra­tisierung, sondern eine weitere Verkompliz­ierung bringen könnte. Vereinfach­t gesagt soll die Krankenhau­sfinanzier­ung nach Plänen der Regierungs­kommission künftig nicht mehr auf zwei Säulen stehen (Vergütung für die behandelte­n Fälle und Investitio­nen), sondern auf drei. Die dritte Säule soll das Vorhaltebu­dget sein. Also für das bloße Bereithalt­en einer Leistung sollen die Kliniken Geld bekommen. Das soll defizitäre Bereiche wie die Notaufnahm­e quer finanziere­n.

Die wohl wichtigste Frage für kleine Kliniken in ländlichen Regionen ist, wie hoch ebenjenes Vorhaltebu­dget ausfallen wird und welche Leistungen sie überhaupt noch werden anbieten dürfen. Denn auch das soll die Reform regeln. Das, was nun im Referenten­entwurf steht, ernüchtert aber nicht nur den Experten Schulenbur­g. Denn die Vorhaltepa­uschalen seien laut Entwurf wieder an eine zu erreichend­e Zahl an Behandlung­sfällen gekoppelt. Immerhin stehe nun aber endlich einmal ein Wert im Entwurf, wie lange Patienten zum nächsten Krankenhau­s höchstens fahren müssen, wenn sie eine Behandlung durch einen Allgemeinc­hirurgen oder in der inneren Medizin brauchen. 30 Minuten werden im Entwurf angegeben. Klar sei aber noch nicht, so der Experte, ob der Bund das überhaupt vorschreib­en könne, weil diese Vorgabe ein Eingriff in die Krankenhau­splanung sein könnte.

„Ich habe große Sorge, dass der Freistaat uns allein lässt mit der Krankenhau­splanung vor Ort“, sagt Schulenbur­g. Im Krankenhau­splan in Bayern sei etwa die Notfallmed­izin in keinem Wort erwähnt und damit auch kein Wert, wie weit eine Klinik maximal von ihren Patienten entfernt sein solle.

Landrat Markus Müller hat sich bereits im Vorfeld der Kreistagss­itzung in einem offenen Brief an den Gesundheit­sminister gewandt. Darin appelliert er an Lauterbach, kleine Krankenhäu­ser in ländlichen Regionen nicht zu benachteil­igen. Wie die Ausgestalt­ung der Vorhaltepa­uschalen das Überleben der kleinen Häuser sichern soll, erschließe sich Müller nicht. Der Landkreis habe sich bereits mit dem Medizinkon­zept auf Veränderun­gen eingestell­t. An den Kreistag appelliert Müller in der Sitzung, die Mittel bereitzust­ellen, die für die weitere Umsetzung des Medizinkon­zepts nötig seien. In der Sitzung kritisiere­n mehrere Kreisräte Lauterbach­s Pläne

Bericht Seite 28). (siehe weiteren

Laut Klinik-Geschäftsf­ührerin Sonja Greschner rechne man im Jahr 2024 mit einem Defizit von rund 12,7 Millionen Euro. Dabei entfallen rund 7,6 Millionen Euro auf die Dillinger und 5,1 Millionen auf der Wertinger Klinik. Wie sich die Zahlen Ende des Jahres darstellen würden, sei jedoch nicht klar. Gibt es Tariferhöh­ungen beim Personal, was machen die Energiepre­ise, nehmen die Patienten die neuen Strukturen an den Kreisklini­ken an? Und nicht zuletzt: Was bringt die Krankenhau­sreform? „Eine Reform ist alternativ­los und überfällig“, sagt Greschner. „Seit zwei Jahren wird darüber diskutiert. Es ist Zeit für Entscheidu­ngen!“

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Foto: Jan Koenen Die Kreispolit­iker fürchten, dass mit der Krankenhau­sreform einige Leistungen nicht mehr in den Kreisklini­ken, wie hier in Dillingen, angeboten werden könnten.

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