Fahrlässigkeit eines Landwirts wird Rollerfahrer zum Verhängnis
Ein 54-Jähriger wendet seinen Traktor mit einem fast 30 Meter breiten Spritzgestänge und bringt einen 60-Jährigen zu Fall. Jetzt steht er in Dillingen vor Gericht.
Der 20. Juni 2023 ist ein warmer Sommertag. Auf der Landstraße zu einem Ortsteil einer Gemeinde im östlichen Landkreis Dillingen ist ein Rollerfahrer unterwegs. Plötzlich blockiert ein Gestänge aus Metall die gesamte Straße. „Wie eine Wand“, sagt der 60-Jährige vor dem Dillinger Amtsgericht. Der Rollerfahrer stürzt, er hat zu diesem Zeitpunkt etwa 60 Kilometer pro Stunde auf dem Tacho. Als der Mann auf dem Boden aufkommt, wird seine Haut aufgeschürft, seine Wirbelsäule verletzt und sein Kiefer bricht.
„Es ging so schnell“, sagt der Rollerfahrer. Der Verletzte wird ins Uniklinikum Augsburg gebracht, dort diagnostizieren die Ärzte auch noch einen Leberriss. „Dann hieß es für mich vier Monate lang Brei essen.“Bei der „Wand“aus Metall handelt es sich um das Spritzgestänge eines Traktors. Dessen Fahrer sitzt jetzt auf der Anklagebank im Dillinger Amtsgericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: fahrlässiger gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr mit fahrlässiger Körperverletzung.
Der Angeklagte, ein 54-jähriger Landwirt aus dem Landkreis Dillingen, räumt seine Schuld ein, dass er besser auf die Straße hätte achten müssen, als er seinen Traktor auf dem Feld wendete. Denn der Schlepper war einem fast 30 Meter breiten Spritzgestänge ausgerüstet. Das war auch Gegenstand des Strafbefehls, gegen den er Einspruch eingelegt hatte. Sein Rechtsanwalt Georg Zengerle sagt, der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr sei „nicht einschlägig“, da der Angeklagte zu dem Zeitpunkt ein Kraftfahrzeug geführt hatte und deshalb selbst Teil des Straßenverkehrs gewesen sei.
Dem widersprechen sowohl Richterin Andrea Eisenbarth als auch Staatsanwältin Anna-Lena Pilsel. Weil sich der Landwirt auf dem Feld befand, könne er nicht Teil des Straßenverkehrs sein, sondern habe von außen eingegriffen. Pilsel sagt, sie habe einen Beschluss des Bundesgerichtshofs gefunden, der zum selben Ergebnis kommt. „Das ist fast der gleiche Fall“, sagt sie.
Sowohl Richterin Eisenbarth als auch die Staatsanwältin fragen sich, weshalb Rechtsanwalt Georg Zengerle unbedingt den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Paragraf 315b in der Straßenverkehrsordnung, aus der Anklage entfernen möchte. Im Lauf der Verhandlung stellt sich heraus, dass der Angeklagte dafür Punkte in Flensburg erhalten würde und daraufhin seinen Führerschein für mindestens ein halbes Jahr abgeben müsste. Für einen Landwirt im Frühling eine „absolute Katastrophe“. Das würde allerdings nicht rein wegen der Strafe in diesem Fall passieren, sondern weil er schon zuvor fünf Punkte gesammelt hatte, stellt die Richterin heraus.
Zengerles Mandant bedaure den Vorfall und wolle neben dem
Geld, das er voraussichtlich nach der zivilrechtlichen Klage zahlen muss, zusätzlich etwas an den Geschädigten bezahlen. Er habe zudem freiwillig an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, kurz MPU, teilgenommen, um seine Fahrtauglichkeit zu überprüfen. Außerdem habe er versucht, während der Behandlungszeit Kontakt mit dem 60-Jährigen, der im selben Ort wie der Landwirt wohnt, aufzunehmen.
Doch der Rollerfahrer habe das abgelehnt. „Ich lege keinen Wert auf Kontakt mit ihm“, sagt er in der Verhandlung. Seine „Sprüche“an der Unfallstelle, etwa „ich habe schon andere daliegen sehen, die sind am nächsten Tag wieder herumgelaufen“, dazu angebliche Schuldzuweisungen seitens
des Angeklagten gäben ihm zu verstehen: „Er sieht nicht ein, dass er etwas falsch gemacht hat. Der wollte einfach weitermachen mit seiner Spritze.“
Zwei Zeugen, die in der Nähe des Unfallorts wohnen und nach dem Knall zu Hilfe geeilt waren, beschreiben, der Landwirt habe laut „Scheiße“geschrien und sei vom Fahrzeug abgestiegen. Vor Ort hätten sich dann beide gegenseitig die Schuld zugeschoben. Staatsanwältin Pilsel fordert in ihrem Plädoyer, dass der Strafbefehl „wie gehabt“vollzogen werden soll. Sie fordert eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro, also 3600 Euro insgesamt. Für den Landwirt spreche zwar, dass er geständig sei und bisher keine Straftaten begangen habe, doch seine Eintragungen im Verkehrsregister
„kann ich nur zulasten des Angeklagten werten“, sagt Pilsel. Rechtsanwalt Zengerle fordert weiterhin, den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu streichen. Der Angeklagte bittet Richterin Eisenbarth vor der Urteilsverkündung ebenfalls nochmals darum: „Wie soll ich denn sonst meine Arbeit verrichten?“
Das bringt ihm allerdings nichts. Der 54-Jährige wird zu 60 Tagessätzen zu je 50 Euro, also 3000 Euro gesamt, verurteilt. Für fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr mit fahrlässiger Körperverletzung. „Sie hatten bereits fünf Punkte, da hält sich mein Mitleid in Grenzen“, sagt Richterin Eisenbarth. Man müsse darauf achten, wie man sich im Straßenverkehr verhält.