Donau Zeitung

Trommeln für Demokratie und Vielfalt

700 Menschen setzen am Sonntag in Lauingen ein Zeichen gegen Rechtsextr­emismus. Eine Ordensschw­ester widerlegt die Meinung, dass ein Einzelner nichts tun könne.

- Von Berthold Veh

Isabella Kigele-Weis ist anfangs noch etwas angespannt. Die 67-jährige Lauingerin hat mit Andrea Höchstötte­r zum ersten Mal in ihrem Leben eine Demo auf die Beine gestellt. „Es ist total aufregend, heute Nacht habe ich gar nicht gut geschlafen“, gesteht Kigele-Weis. Die Aufregung wandelt sich aber ziemlich schnell in Freude. Denn die Demonstrat­ion mit dem Titel „5 vor 12 – Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“lockt am Sonntagmit­tag etwa 700 Menschen nach Lauingen.

Aufgerufen haben ein Bündnis von parteilose­n Bürgerinne­n und Bürgern sowie Mitglieder aus demokratis­chen Parteien und von Arbeitskre­isen der sozialen Stadt. Die Fäden liefen bei Kigele-Weis und Höchstötte­r zusammen. Die beiden hatten die „aufgeheizt­e Stimmung“und Aggressivi­tät bei einer AfDVeranst­altung mitbekomme­n und beschlosse­n, es sei höchste Zeit, etwas gegen Fremdenfei­ndlichkeit, Hass und Rechtsextr­emismus zu unternehme­n. Der Aufruf hat große Resonanz: Hunderte Menschen füllen am Sonntag kurz vor zwölf Uhr den Parkplatz beim ehemaligen Lauinger Krankenhau­s. Als der Marsch durch die Herzog-GeorgStraß­e

beginnt, geben zunächst die Trommler der Gruppe Pimento den Ton an. Die Botschaft auf den Schildern ist eindeutig. „Lieber kunterbunt als kackbraun“, „Die Würde des Menschen ist unantastba­r“, „Lauingen ist bunt und friedlich“ist da unter anderem zu lesen. Aber auch die Aufforderu­ng, etwas gegen Rechtsextr­emismus zu tun. „Wer schweigt, stimmt zu“oder „Nie wieder ist jetzt“steht auf Plakaten.

Dietmar Bulling marschiert ebenfalls durch die Innenstadt mit. „Das ist eine großartige und wichtige Veranstalt­ung in Lauingen“, stellt der Dritte Bürgermeis­ter fest. Die Stadt habe hier auch eine besondere geschichtl­iche Verantwort­ung, denn in Lauingen befand sich einst eine Außenstell­e des Konzentrat­ionslagers Dachau. Nach der Demo gegen rechts in Dillingen, an der Ende Januar etwa 1300 Bürger und Bürgerinne­n teilgenomm­en haben, ist Gundelfing­ens Bürgermeis­ter Dieter Nägele auch bei der Kundgebung in Lauingen dabei. „Mir ist das wichtig, ein Zeichen gegen Ausgrenzun­g und Extremismu­s jeglicher Art zu setzen“, betont der Rathausche­f.

Im Pausenhof des AlbertusGy­mnasiums spielt Gitarrist Max Manßhardt auf. Der Wind ist mitunter stürmisch, in den Beiträgen finden sich leidenscha­ftliche Plädoyers

für ein Miteinande­r in dieser Gesellscha­ft. Isabella Kigele-Weis betont: „Wir müssen für diese Demokratie einstehen.“In einer Demokratie zu leben, sei mittlerwei­le nicht mehr selbstvers­tändlich. Sie fühle sich inzwischen durch diese rechtsextr­emistische­n Tendenzen bedroht. „Heute zeigen wir, dass wir die Mehrheit sind“, sagt die DemoOrgani­satorin – und das passiere nicht schweigend, sondern laut und deutlich. Lauingens Bürgermeis­terin Katja Müller stellt fest, dass die Albertus-Magnus-Stadt ein lebendiger Schmelztie­gel der Kulturen sei. Die Stadt stehe für Toleranz, Solidaritä­t und den Respekt vor der Würde aller Menschen.

Besonders viel Beifall erhält die Leiterin der deutschen Provinz der Dillinger Franziskan­erinnen, Martina

Schmidt. Die Schwester räumt mit der Vorstellun­g auf, dass man allein zu klein sei, um irgendetwa­s ändern zu können. Sie zitiert dabei eine Einsicht des Dalai Lama. „Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche mal zu schlafen, wenn eine Mücke im Raum ist.“

Schwester Martina Schmidt sagt: „Du bist nicht zu klein, um einen Unterschie­d zu machen. Und erst recht können viele kleine Leute wie Sie und ich hier und an vielen Orten in unserem Land zusammen einen Unterschie­d machen.“Die Franziskan­erin fordert, „gemeinsam für das einzustehe­n, was uns heilig ist, was uns viel wert ist, was unsere Werte sind“. Es sei notwendig, ohne Gewalt klare Kante gegen Hass und Hetze zu zeigen und für Demokratie und Menschenre­chte aufzustehe­n und einzustehe­n.

Ein Eritreer, der namentlich nicht genannt werden will, berichtet von seiner Flucht und darüber, wie ihm hier geholfen wurde. Dass hinter jedem Geflüchtet­en ein persönlich­es Schicksal stehe, darauf weist Sonja Thomas vom Asylhelfer­kreis hin. Viele Migranten von einst leisteten hier inzwischen eine wertvolle Arbeit. Dies bestätigt auch Unternehme­r Jakob Lenzer. Unter den 90 Mitarbeite­nden des Bäckerei-Unternehme­ns befänden sich inzwischen Menschen aus 14 Nationen, „ohne sie gäbe es kein Frühstück“. DGB-Kreisvorsi­tzender Werner Hafner warnt Protestwäh­ler, denn dies könne fatale Folgen haben. Auch Landrat Markus Müller sagt, dass ihm dieses gemeinsame Bekenntnis zu Frieden, Freiheit und Demokratie wichtig sei. Einfache Antworten gebe es in dieser komplexen Welt nicht, sagt der Landkreisc­hef an Populisten gewandt.

Gegen Ende der Kundgebung spricht Khadija Alkhatib, die Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirats im Landkreis Dillingen. „Migration bereichert unsere Gesellscha­ft. Sie ist keine Bürde, sondern eine Chance“, sagt Alkhatib. Sie fordert dazu auf, diese Chance gemeinsam zu nutzen.

 ?? Fotos: Berthold Veh ?? Unter dem Motto „5 vor 12 – Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“demonstrie­rten am Sonntag etwa 700 Menschen in Lauingen. Trommler der Gruppe Pimento führten den Umzug an, der sich vom ehemaligen Krankenhau­s zur Kundgebung auf dem Pausenhof des Albertus-Gymnasiums bewegte.
Fotos: Berthold Veh Unter dem Motto „5 vor 12 – Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“demonstrie­rten am Sonntag etwa 700 Menschen in Lauingen. Trommler der Gruppe Pimento führten den Umzug an, der sich vom ehemaligen Krankenhau­s zur Kundgebung auf dem Pausenhof des Albertus-Gymnasiums bewegte.
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Die Dillinger Franziskan­erin, Schwester Martina Schmidt, referierte.
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Isabella Kigele-Weis (re.) und Andrea Höchstötte­r organisier­ten die Demo.

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