Vocalensemble mit hoher Professionalität
Der Landsberger Chor präsentiert in der Studienkirche ein abwechslungsreiches Programm mit Werken aus dem 17. bis zum 20. Jahrhundert.
Der berühmte vor 260 Jahren entstandene Bühnenaltar von Hans Alberthal ist während der Karwoche in der Studienkirche zu sehen. Er stellte das Passionsgeschehen Jesu dar. Acht Tage zuvor wurde nun das Leiden des Herrn akustisch erfahrbar gemacht, denn im Altarbereich präsentierte das Vocalensemble Landsberg seine sängerische Darstellung. Diese hochkarätige Aufführung wurde von Christine Schneider (Freundeskreis der Studienkirche) und René Brugger (Katholischer Akademikerkreis Dillingen) initiiert, die in der Mariä Himmelfahrtskirche zahlreiche Gäste begrüßen konnten. Einen wertvollen literarisch-theologischen Charakter erhielt die musikalische Stunde durch die Mitwirkung von Studiendirektor Hermann Müller.
Der Pfarrer breitete sprachliche und gedankliche Wunder aus, wie sie Rudolf Alexander Schröder 1942 formulierte. Dieser hatte als bekennender Christ festgestellt, dass es bei aller Tragik in der Welt um die Wahrhaftigkeit Gottes im
Leben und Sterben gehe. „Was wisst ihr vom Schmerz meiner Seele“, ruft der „einsame Christus“von Christian Morgenstern den Jüngern zu und fordert sie auf, zu wachen und zu beten. Müller wies auf die „Ecce-homo“-Situation der XII. Station des Kreuzwegs aus der Sicht des Schweizer Theologen und Schriftstellers Hans Urs von Balthasars hin. Papst Johannes Paul II. hat am Karfreitag 1988 jenen Text von der Verlassenheit des leidenden Christus zitiert. In seiner Auslegung des Psalm 130 nach
dem württembergischen Schriftsteller Arnold Stadler betonte der Vortragende, dass für den Menschen in Katastrophen und Krisen immer die Hoffnung und die Erfahrung von Hilfe und Rettung herauf leuchte.
Was der mit vierzehn Frauen und fünfzehn Männern gleichmäßig besetzte gemischte Chor aus Landsberg bot, war höchst eindrucksvoll. Es wurde ein Bogen gespannt mit Chorsätzen vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Das Passionskonzert „Hear my prayer“diente der Chorgemeinschaft dazu, eine lebendige Stimme der Verkündigung, des schöpferischen Urgrunds des Glaubens zu sein. Es war die Ausgewogenheit des Chorklangs, die faszinierte.
Die stimmliche Eleganz ließ an Intonationssicherheit und Ausdrucksvermögen nichts zu wünschen übrig. Das Vocalensemble erwies sich als homogenes Ensemble, das der frei strömenden Polyphonie genauso wie der eng geführten Homophonie gerecht wurde. Das Augenmerk von Dirigent Matthias Utz, der die Chorgemeinschaft seit siebzehn Jahren leitet, hielt das engmaschige Gewebe der Stimmen durchsichtig und strukturierte den Fluss der Musik überzeugend. Der Chor gehorchte den impulsiven Anweisungen mit adäquater Präsenz. Mit bewundernswerter Disziplin setzte das Vocalensemble die interpretatorischen Absichten von Matthias Utz um. Beachtlich die dynamischen Abstufungen, die Akzentuierungen und rhythmischen Details, die der Dirigent mit unterschiedlichen Choraufstellungen erreichte.
Doppelchörig erklangen das „Credo“von Frank Martin und Albert
Beckers „Gott sei mir gnädig“. Jeder noch so exponierte Einsatz von Sopran und Tenor gelang präzise und rund im Klang, Alt und Bass harmonierten mit vokalem Glanz, wobei die Transparenz selbst beim stärksten Crescendo gewahrt wurde. In Heinrich Kaminskis Psalm 130 die gleich große Dominanz mit einer belebenden Sopran-Überstimme (Annerose Gawron). Beglückend der Repetitions-Chorus der Männerstimmen in Arvo Pärts „Christ with me“, die Frauenstimmen korrespondierten bewusst. Felix Mendelssohn-Bartholdys „In der Passionszeit“und „Karfreitag“blühten romantisch bewegend schön auf. Mendelssohns Groß-Cousin Arnold steuerte mit seinem „Passionsgesang“expressionistische Akzente bei. In Gotfried Homilius „Die mit Tränen säen“und in Anton Bruckners „Christus factus est“offerierte das Ensemble einen Chorklang voller leuchtender Kraft und erstaunlicher Reinheit. Großer stehender Beifall für vitale, durchgeistigte, Maßstäbe setzende, hinreißende A-cappella-Stimmkultur, die J. Gabriel Rheinbergers „Abendlied“krönte.