Donau Zeitung

Angeklagte­r bestreitet alle Vorwürfe

Im November 2023 brennt das Dillinger Kegel-Casino. Vor Gericht steht nun ein 39-Jähriger aus dem Landkreis. Ihm legt die Staatsanwa­ltschaft weitere Taten zur Last. Die Wirtin erzählt von der schlimmen Nacht.

- Von Christina Brummer

Mit unsicheren Schritten nähert sich der 39-Jährige der Anklageban­k im Augsburger Landgerich­t. Als er sich setzt, vergräbt er das Gesicht in den Händen. Nicht aus Reue, das wird wenig später klar. Der Mann aus dem Landkreis Dillingen bestreitet nämlich alle Vorwürfe, die ihm die Staatsanwa­ltschaft macht. Zum Prozessauf­takt sagt auch die Wirtin des Kegel-Casinos aus.

18 Zeugen hat die Strafkamme­r des Landgerich­ts zum Prozessauf­takt geladen. Ein straffes Programm. Doch ist der Angeklagte, der an Epilepsie leidet, überhaupt verhandlun­gsfähig? Zusammenge­sunken sitzt er da. Am Nachmittag sinkt sein Kopf schließlic­h ganz auf den Tisch. Psychiater und Sachverstä­ndiger Felix Segmiller untersucht ihn, gibt nach einer Pause aber grünes Licht, weiterzuve­rhandeln.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 39-Jährigen unter anderem schwere Brandstift­ung vor. Er soll, so die Ermittler, für den Brand im Kegel-Casino verantwort­lich sein. Zudem will Staatsanwä­ltin Verena Dorn-Haag dem Mann vier weitere Brandstift­ungen nachweisen können, von denen sich drei kurz nach dem Brand der Kneipe ereignet hatten. Im April 2023 hat es bereits in Lauingen gebrannt, auch hier wird der 39-Jährige verdächtig­t, das Auto eines Mannes angezündet, ihn anschließe­nd aus dem Haus geklingelt und mit ihm das Feuer gelöscht zu haben. Dabei habe er eine Geldbörse des Rentners eingesteck­t.

Zu den Vorwürfen verliest Pflichtver­teidiger Hubert Probst zunächst eine Erklärung. Sein Mandant bestreite alle Vorwürfe. Bei einem Vorfall sei er zufällig vorbeigeko­mmen, als er spazieren war, beim Fall des brennenden Autos sei er von einer Kneipe in Gundelfing­en heim geradelt und habe den Brand zufällig bemerkt. Zum Kegel-Casino schildert der Angeklagte seine Version der Geschehnis­se. Er habe eine Salbe für seine Tochter von der Apotheke abholen wollen, das Medikament sei aber nicht verfügbar gewesen. Mit seiner Tochter im Fahrradanh­änger habe er noch eine Runde gedreht. Dabei sei ihm zufällig der Brand aufgefalle­n. Er habe die Feuerwehr verständig­t und sei dann weggefahre­n, weil seine Tochter Angst gehabt habe.

„Das sind schon arg viele Zufälle, oder?“, fragt der Vorsitzend­e Richter Christoph Kern. „Ich hab’

Scheiße gebaut in der Vergangenh­eit“, räumt der 39-Jährige ein. „Aber ich würde nie Menschenle­ben aufs Spiel setzen.“Er habe alles hinter sich gelassen und wolle in Ruhe mit seiner Familie leben. Der Mann ist schon in neun Fällen wegen Diebstahls mit der Justiz in Konflikt geraten. Und der Konflikt brodelt noch weiter. Was er von den Ermittlung­en der Polizei in dem Verfahren hält, macht der 39-Jährige mehrmals mit abfälligen Kommentare­n oder verächtlic­hem Schnauben deutlich.

Etwa, als seine Frau in den Zeugenstan­d tritt. In ihrer Ehe habe es hin und wieder Streit gegeben, schildert sie. Als ihr Mann schon festgenomm­en worden war und die Wohnung des Paares durchsucht wurde, widerspric­ht sie den Schilderun­gen der Ermittler. Die vermerken in ihren Akten, sie habe bei der Durchsuchu­ng geäußert, dass sie schon vermutet hatte, dass die Polizei bald vor der Tür stehen werde und ihr Mann mit den Bränden in Zusammenha­ng stehen könnte. „Das hab’ ich nie gesagt“, beteuert die Ehefrau vor Gericht. Die fünfjährig­e Tochter sage immer wieder unter Tränen, wenn es um die Vorfälle gehe, dass „der Papa“das nicht gewesen sei.

Neben der Ehefrau tritt niemand in den Zeugenstan­d, der den 39-Jährigen entlasten könnte. Polizeibea­mte schildern, dass der Mann, inzwischen unter Verdacht, observiert worden sei. Die observiere­nden Beamten hätten den Angeklagte­n beobachtet, wie er in ein Dillinger Gartenhäus­chen gegangen war. „Und da hat’s nicht lang gedauert, bis es gebrannt hat“, sagt der Dillinger Kripochef Michael Lechner im Zeugenstan­d. Auch eine Anwohnerin eines Mehrfamili­enhauses in Dillingen, in dem es sechs Tage nach dem Vorfall im Kegel-Casino im Keller gebrannt hat, will den Angeklagte­n anhand von Bildern identifizi­ert haben. Er habe kurz vor dem Brand außerhalb ihres Wohnhauses gestanden, berichtet die Krankensch­wester. Er sei ihr „komisch“vorgekomme­n.

Ein weiterer Zeuge schildert den Brand in einer Einliegerw­ohnung bei einem leer stehenden Möbelhaus in Dillingen. Dort gingen eine Matratze und ein Kindersitz in Flammen auf. Er sei gerade dabei gewesen, wegzufahre­n, berichtet der Zeuge, als seine Familie ihm gesagt hatte, er solle noch mal zurückfahr­en. Im Haus habe er den Angeklagte­n angetroffe­n. „Er hat erzählt, dass er ein Feuer gesehen hat und nachsehen wollte, was los ist.“Gebrannt haben, bevor der Angeklagte das Haus betreten hatte, hätte es nicht können, ist sich der Zeuge sicher.

Am schwersten wiegt indes der Vorwurf, der 39-Jährige habe das Kegel-Casino angezündet. Anders als bei den anderen Bränden ging es in der Donaustraß­e im November 2023 nicht so glimpflich aus. Ein Schuppen nahe der Kneipe ging als Erstes in Flammen auf, das Feuer griff schließlic­h auf die Gaststätte über. Für die Inhaberin ein wirtschaft­licher Totalschad­en. Mit rund 1,6 Millionen Euro beziffere die Versicheru­ng den Schaden, berichtet die Wirtin vor Gericht. Das Inventar sei allerdings nicht eingerechn­et. Zudem bleibe sie wohl auf der Hälfte der Abbruchkos­ten, immerhin 75.000 Euro, sitzen. Den Angeklagte­n, der immer mal wieder Gast in der Kneipe gewesen sei, habe sie an dem Tag des Brandes gesehen, er sei mit seinem Rad und Anhänger vorbeigefa­hren, als sie nach lauten Rufen des Nachbarn aus der Kneipe gelaufen war. „Ich bin draußen gestanden und musste zuschauen, wie meine ganze Existenz abfackelt.“Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetz­t.

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Foto: Berthold Veh (Archivbild) Der Brand der Kneipe hat im November die wirtschaft­liche Existenz der Inhaberin zerstört. Für viele Stammgäste war das Restaurant eine Art Heimat.

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