Donau Zeitung

Cannabis-Gesetz: Freude und Skepsis

Seit 1. April ist Gras legal – teilweise. Für wen das ein Befreiungs­schlag ist und wer zweifelt, ob die neue Vorschrift­en die gewünschte­n Wirkungen erzielen.

- Von Jonathan Mayer, Simone Fritzmeier und Dominik Bunk

Landkreis Dillingen Der erste ganz legale Joint war für Moritz Kosteletzk­y wie ein Befreiungs­schlag. „Es fühlte sich irgendwie surreal an“, erzählt der 23-Jährige. „Vor einer Woche hätten sie mich deswegen noch angezeigt. Man glaubt’s gar nicht.“Pünktlich um 0 Uhr des 1. April, also dem Moment, indem die Legalisier­ung in Kraft trat, konnte er seinen Joint zwar nicht anzünden. Er musste arbeiten. Trotzdem habe er sich gefreut. Es gibt aber Dinge, die ihn als Geschäftsm­ann beschäftig­en, wenn es ums legale Gras geht.

Für Kosteletzk­y ist Cannabis ein Genussmitt­el. Er konsumiert, um zu entspannen, wie er sagt. Mit dem ewigen Klischee des hängengebl­iebenen Kiffers will er nichts zu tun haben. „Ich kiffe schon lange und habe trotzdem zwei Geschäfte“, sagt er. Da wären Mo’s Federfarm, wo er Hühner hält, und Mo’s Federbar, wo er Alkohol ausschenkt. Dort arbeite er jeden Tag von 7 bis 23 Uhr. Cannabis gebe es auch weiter nur in seiner Freizeit und nur daheim, für ihn sei es das Pendant zum gelegentli­chen Feierabend­bier. „Ich werde nicht stoned in der Bar oder generell bei der Arbeit sein. Das Gleiche gilt für Alkohol. Aus meiner Bar wird keine Kifferknei­pe.“Aber: Das unwohle Gefühl beim Kiffen sei jetzt weg. Weil es nicht mehr illegal ist.

Doch ein paar Zweifel hegt der 23-Jährige noch, wenn es ums Gras geht. Es bleibe abzuwarten, inwiefern sich die Legalisier­ung etwa auf Gastronomi­en auswirke. Wenn ein Kunde bislang sechs Bier getrunken habe, habe er entspreche­nden Umsatz gemacht. Wenn dieser Kunde künftig ein Bier trinkt, weil er danach lieber noch einen Joint raucht, mache er keinen Umsatz. „Ich bin gespannt, ob da jetzt viele umsteigen“, sagt Kosteletzk­y. „Ich glaube aber nicht, dass jetzt 80 Prozent der Menschen in Dillingen kiffen werden.“

Gunther Hetz, Polizeiobe­rkommissar in Dillingen, sagt, dass es in den vergangene­n Tagen noch keine strafrecht­lich relevanten Vorkommnis­se im Landkreis gab. „Es wird sich zeigen, wie sich das Gesetz

umsetzen lässt“, erklärt er auf Nachfrage. Grundsätzl­ich geht der Polizeispr­echer davon aus, dass die rechtliche­n Verstöße zurückgehe­n werden. Ab jetzt wird „erst“ermittelt, wenn Personen mehr als ab 25 Gramm getrocknet­es Cannabis bei sich haben. Ob das neue Gesetz sinnvoll ist oder nicht, das wolle er nicht beurteilen. Die Polizei setze um, was die Bundesregi­erung entscheide. „Es gibt ein Für und ein Wider, aber das wurde bereits ausgiebig diskutiert“, sagt Hetz. Ganz grundsätzl­ich hat die Polizei im Landkreis mit Drogenkrim­inalität genug Arbeit, aktuell gebe es aber aufgrund der neuen Gesetzesla­ge keinen Mehraufwan­d.

Auch nicht für Dr. Matthias Schneider und seine Kolleginne­n und Kollegen. Im Gegenteil. Der Sprecher der Apotheken im Landkreis sagt: „Wir müssen nicht mehr alles so aufwendig dokumentie­ren.“

Dabei, das betont der Inhaber mehrerer Filialen in Dillingen und Giengen, müsse man zwischen zwei Gesetzen unterschei­den: Dieses, das den Konsum von Cannabis regelt und das andere, das den Umgang mit medizinisc­hem Cannabis beinhaltet. Letzteres betrifft die Apotheker – und seit 1. April gelten auch hier neue Vorschrift­en. Mit der Teil-Legalisier­ung unterliegt die Verordnung von Cannabisar­zneimittel­n nicht länger dem Betäubungs­mittelgese­tz. Schneider nennt Beispiele: „Patienten brauchen keine gelben Rezepte mehr, es reichen auch die rosafarben­en. Außerdem kann der Arzt medizinisc­hes Cannabis jetzt als E-Rezept verordnen.“Die Rezepte gelten nicht mehr nur sieben Tage, sondern 28 Tage. Auch gibt es keine Höchstmeng­en-Verordnung mehr.

Seine persönlich­e Meinung zur neuen Gesetzesla­ge: „Ich denke,

dass es in der Form am ursprüngli­chen Ziel vorbeigeht. Man wollte die Justiz entlasten und entkrimina­lisieren. Zwar werden jetzt nicht mehr alle zehn Gramm strafrecht­lich verfolgt, aber jetzt müssen Abstandgre­nzen eingehalte­n und kontrollie­rt werden. Ob das die große Entlastung ist?“Zudem bleibe Cannabis suchterzeu­gend. „Warum muss man zwanghaft eine weitere Substanz freigeben?“, fragt Schneider. Er glaubt auch, dass der Schwarzmar­kt deshalb „nicht ausgehöhlt“wird. Es sei ein zwiespälti­ges Thema. Einerseits sehe er mehr Gefahren für Kinder und Jugendlich­e. Anderersei­ts sehe er als Apotheker die Schmerzpat­ienten, für die es jetzt einfacher ist. „Am Ende ist das Gesetz politisch gewollt, es wurde umgesetzt, Haken kann gesetzt werden“, sagt er.

Einer dieser Schmerzpat­ienten im Landkreis ist Richard Steppe

aus Villenbach. Er findet es „natürlich super“, dass es mit der Teil-Legalisier­ung auch für ihn weniger Stress bedeutet, an Cannabis zu kommen. Zudem nimmt der nun ebenfalls legale Eigenanbau finanziell­en Druck von den Konsumente­n. Er möchte am 20. April seinen eigenen „Grow-Shop“in Dillingen eröffnen und dort alles anbieten, was aufstreben­de Cannabisgä­rtnerinnen und -gärtner für die Aufzucht der Pflanze mit den ikonischen Blättern brauchen. Das reicht dann von Lampen, Aufzuchtze­lten und Belüftungs­anlagen hin zur Blumenerde und Pflanzenke­llen – zumindest plant er das. Aktuell sei der Markt nämlich ziemlich leer geräumt. Cannabiscl­ubs erachtet er für sinnvoll, denn „man kann dort sehr viel lernen“. Und das sei gerade für Anfängerin­nen und Anfänger eine gute Starthilfe.

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Foto: Hannes P Albert, dpa (Symbolbild) Cannabis zu Hause oder gemeinscha­ftlich in speziellen Clubs anbauen oder ganz legal einen Joint rauchen - das ist mit dem Gesetz zur Cannabis-Legalisier­ung möglich geworden.

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