Cannabis-Gesetz: Freude und Skepsis
Seit 1. April ist Gras legal – teilweise. Für wen das ein Befreiungsschlag ist und wer zweifelt, ob die neue Vorschriften die gewünschten Wirkungen erzielen.
Landkreis Dillingen Der erste ganz legale Joint war für Moritz Kosteletzky wie ein Befreiungsschlag. „Es fühlte sich irgendwie surreal an“, erzählt der 23-Jährige. „Vor einer Woche hätten sie mich deswegen noch angezeigt. Man glaubt’s gar nicht.“Pünktlich um 0 Uhr des 1. April, also dem Moment, indem die Legalisierung in Kraft trat, konnte er seinen Joint zwar nicht anzünden. Er musste arbeiten. Trotzdem habe er sich gefreut. Es gibt aber Dinge, die ihn als Geschäftsmann beschäftigen, wenn es ums legale Gras geht.
Für Kosteletzky ist Cannabis ein Genussmittel. Er konsumiert, um zu entspannen, wie er sagt. Mit dem ewigen Klischee des hängengebliebenen Kiffers will er nichts zu tun haben. „Ich kiffe schon lange und habe trotzdem zwei Geschäfte“, sagt er. Da wären Mo’s Federfarm, wo er Hühner hält, und Mo’s Federbar, wo er Alkohol ausschenkt. Dort arbeite er jeden Tag von 7 bis 23 Uhr. Cannabis gebe es auch weiter nur in seiner Freizeit und nur daheim, für ihn sei es das Pendant zum gelegentlichen Feierabendbier. „Ich werde nicht stoned in der Bar oder generell bei der Arbeit sein. Das Gleiche gilt für Alkohol. Aus meiner Bar wird keine Kifferkneipe.“Aber: Das unwohle Gefühl beim Kiffen sei jetzt weg. Weil es nicht mehr illegal ist.
Doch ein paar Zweifel hegt der 23-Jährige noch, wenn es ums Gras geht. Es bleibe abzuwarten, inwiefern sich die Legalisierung etwa auf Gastronomien auswirke. Wenn ein Kunde bislang sechs Bier getrunken habe, habe er entsprechenden Umsatz gemacht. Wenn dieser Kunde künftig ein Bier trinkt, weil er danach lieber noch einen Joint raucht, mache er keinen Umsatz. „Ich bin gespannt, ob da jetzt viele umsteigen“, sagt Kosteletzky. „Ich glaube aber nicht, dass jetzt 80 Prozent der Menschen in Dillingen kiffen werden.“
Gunther Hetz, Polizeioberkommissar in Dillingen, sagt, dass es in den vergangenen Tagen noch keine strafrechtlich relevanten Vorkommnisse im Landkreis gab. „Es wird sich zeigen, wie sich das Gesetz
umsetzen lässt“, erklärt er auf Nachfrage. Grundsätzlich geht der Polizeisprecher davon aus, dass die rechtlichen Verstöße zurückgehen werden. Ab jetzt wird „erst“ermittelt, wenn Personen mehr als ab 25 Gramm getrocknetes Cannabis bei sich haben. Ob das neue Gesetz sinnvoll ist oder nicht, das wolle er nicht beurteilen. Die Polizei setze um, was die Bundesregierung entscheide. „Es gibt ein Für und ein Wider, aber das wurde bereits ausgiebig diskutiert“, sagt Hetz. Ganz grundsätzlich hat die Polizei im Landkreis mit Drogenkriminalität genug Arbeit, aktuell gebe es aber aufgrund der neuen Gesetzeslage keinen Mehraufwand.
Auch nicht für Dr. Matthias Schneider und seine Kolleginnen und Kollegen. Im Gegenteil. Der Sprecher der Apotheken im Landkreis sagt: „Wir müssen nicht mehr alles so aufwendig dokumentieren.“
Dabei, das betont der Inhaber mehrerer Filialen in Dillingen und Giengen, müsse man zwischen zwei Gesetzen unterscheiden: Dieses, das den Konsum von Cannabis regelt und das andere, das den Umgang mit medizinischem Cannabis beinhaltet. Letzteres betrifft die Apotheker – und seit 1. April gelten auch hier neue Vorschriften. Mit der Teil-Legalisierung unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht länger dem Betäubungsmittelgesetz. Schneider nennt Beispiele: „Patienten brauchen keine gelben Rezepte mehr, es reichen auch die rosafarbenen. Außerdem kann der Arzt medizinisches Cannabis jetzt als E-Rezept verordnen.“Die Rezepte gelten nicht mehr nur sieben Tage, sondern 28 Tage. Auch gibt es keine Höchstmengen-Verordnung mehr.
Seine persönliche Meinung zur neuen Gesetzeslage: „Ich denke,
dass es in der Form am ursprünglichen Ziel vorbeigeht. Man wollte die Justiz entlasten und entkriminalisieren. Zwar werden jetzt nicht mehr alle zehn Gramm strafrechtlich verfolgt, aber jetzt müssen Abstandgrenzen eingehalten und kontrolliert werden. Ob das die große Entlastung ist?“Zudem bleibe Cannabis suchterzeugend. „Warum muss man zwanghaft eine weitere Substanz freigeben?“, fragt Schneider. Er glaubt auch, dass der Schwarzmarkt deshalb „nicht ausgehöhlt“wird. Es sei ein zwiespältiges Thema. Einerseits sehe er mehr Gefahren für Kinder und Jugendliche. Andererseits sehe er als Apotheker die Schmerzpatienten, für die es jetzt einfacher ist. „Am Ende ist das Gesetz politisch gewollt, es wurde umgesetzt, Haken kann gesetzt werden“, sagt er.
Einer dieser Schmerzpatienten im Landkreis ist Richard Steppe
aus Villenbach. Er findet es „natürlich super“, dass es mit der Teil-Legalisierung auch für ihn weniger Stress bedeutet, an Cannabis zu kommen. Zudem nimmt der nun ebenfalls legale Eigenanbau finanziellen Druck von den Konsumenten. Er möchte am 20. April seinen eigenen „Grow-Shop“in Dillingen eröffnen und dort alles anbieten, was aufstrebende Cannabisgärtnerinnen und -gärtner für die Aufzucht der Pflanze mit den ikonischen Blättern brauchen. Das reicht dann von Lampen, Aufzuchtzelten und Belüftungsanlagen hin zur Blumenerde und Pflanzenkellen – zumindest plant er das. Aktuell sei der Markt nämlich ziemlich leer geräumt. Cannabisclubs erachtet er für sinnvoll, denn „man kann dort sehr viel lernen“. Und das sei gerade für Anfängerinnen und Anfänger eine gute Starthilfe.