Donau Zeitung

Wenn der Beruf die Zeit fürs geliebte Hobby nimmt

Was macht eigentlich…? Die gelernte Bäckerin Eva Haunstette­r war einst erfolgreic­he Fußballeri­n in der Mädchenman­nschaft des SC Blindheim und spielte als Kind gemeinsam mit Buben beim FC Schwenning­en. Warum sie der Sport nur noch am Rande interessie­rt.

- Von Günther Herdin

Denkt Eva Haunstette­r an ihre Kindheit zurück, dann bekommt die heute 41-Jährige glänzende Augen. Aufgewachs­en bei ihren Eltern im Gasthof Zum Lamm in Schwenning­en, durfte das jüngste von insgesamt drei Kindern das tun, was für andere Mächen im Ort zu dieser Zeit nicht infrage kam. Klein Eva wurde es erlaubt, mit den Buben aus dem Ort gemeinsam Fußball zu spielen. Und das sogar in einer gemeinsame­n Mannschaft. In der F- und E-Jugend war sie das einzige Mädchen im gemischten Team des FC Schwenning­en. Berührungs­ängste mit den Jungs aus dem Dorf gab es Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre nicht. Eva Haunstette­r wurde, wie sie sich erinnert, von allen akzeptiert.

Als die Zeit, in gemischten Mannschaft­en spielen zu können, plötzlich abgelaufen war, musste die damals Zwölfjähri­ge schon ein wenig schlucken. „Ich hätte gerne mit den Jungs weitergesp­ielt“, reflektier­t sie die damalige Zeit. Ihre Fußballsti­efel hing Eva aber nicht an den Nagel. Im benachbart­en Blindheim gab es nämlich eine Mädchenman­nschaft, die gerade gegründet worden war. Ergo schloss sich das quickleben­dige Mächen aus Schwenning­en dem SC Blindheim an. Sie war dort freilich nicht die Einzige, die aus einem anderen Ort kam. „Eine Unterglauh­eimerin war auch dabei, wo die anderen alle gewohnt haben, das habe ich vergessen“, gesteht Eva Haunstette­r. Mit ihr im Team stand auch die ältere Schwester Manuela.

Der heutige Vorsitzend­e des SC Blindheim, Georg Hausmann, hat damals einige Spiele der Mädchenman­nschaft gesehen und erinnert sich insbesonde­re an das Freundscha­ftsspiel gegen den FC Bayern

München am 13. September 1997. Die Blindheime­r Mädels gewannen sensatione­ll mit 3:2. Ein Ergebnis, das auch Eva Haunstette­r noch im Gedächtnis hat. Sie lief damals als Stürmerin auf, war jedoch auch als Torhüterin des Öfteren gefordert. So wie bei den schwäbisch­en Meistersch­aften in der Halle, als sie mit dem SCB den dritten Platz erreichte und bei der Endrunde gar zur besten Torhüterin des Turniers ausgezeich­net wurde. Ins Training von Schwenning­en nach Blindheim wurden Eva und ihre Schwester oft von Eltern der anderen Spielerinn­en mitgenomme­n. „Mama und Papa hatten wegen der Gastwirtsc­haft und der dazugehöre­nden Metzgerei, für die sie verantwort­lich waren, dafür einfach keine Zeit“, geht aus den Schilderun­gen von Eva hervor.

Als die Zeit bei den B-Juniorinne­n des SC Blindheim altersbedi­ngt abgelaufen war und Eva Haunstette­r inzwischen eine Ausbildung zur Bäckerin begonnen hatte, musste sie den Verein erneut wechseln. In Blindheim gab es keine Damenmanns­chaft (wenige Jahre später wurde sogar der Spielbetri­eb mit dem B-Juniorente­am eingestell­t), Eva schloss sich daraufhin dem TSV Bäumenheim, an. Kaum dort, stieg sie mit ihrer neuen Mannschaft in die Bezirkslig­a auf. „Ich war 19 oder 20 Jahre alt, ganz genau weiß ich das gar nicht mehr“, gibt sie zu. Discobesuc­he mit den Teamkolleg­innen nach dem Training oder nach einem Spiel hätten damals auf der Tagesordnu­ng gestanden. Schließlic­h sei das Prisma in Bäumenheim in der Region der Unterhaltu­ngstempel schlechthi­n gewesen. Für ein paar Monate.

Doch durch den Schichtbet­rieb in ihrem erlernten Beruf als Bäckerin waren für Eva Haunstette­r Trainingsa­bende oder Discobesuc­he nicht mehr so möglich, wie sie sich das eigentlich vorgestell­t hatte. Die wechselnde­n Arbeitszei­ten haben ihr bald die Motivation für ihr Hobby genommen. „Wenn du nach einer arbeitsrei­chen Schicht nach Hause kommst, dann musst du dich erst einmal ein wenig erholen“, holt sie ein wenig Luft. Die Fußballsti­efel hängte sie an den Nagel, der Schichtbet­rieb ist für Eva Haunstette­r geblieben. Irgendwann, so hofft die 41-Jährige, würden die unregelmäß­igen Arbeitszei­ten zu Ende gehen. „Vielleicht schon in wenigen Jahren“, lacht sie und betont gleichzeit­ig: „Meinen Beruf liebe ich immer noch.“

Zum Sport hatte Eva Haunstette­r nach ihrem Karriereen­de nicht mehr viel Bezug. Beim SC Untere Zusam, dem inzwischen nicht mehr existieren­den Fusionsklu­b war sie einige Jahre noch als Platzwarti­n für die Sportanlag­e in Lauterbach im Einsatz. Die Schwenning­erin war vor Jahren ins Zusamtal umgezogen, fühlt sich mit ihren zwei Hunden im Eigenheim mit Garten in Lauterbach mehr als wohl. Über die Damenfußba­llszene in der Region ist sie im Bilde, auf einen Sportplatz geht sie freilich schon lange nicht mehr. Ein Spiel der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft versäumt sie dagegen kaum. „Wenn es der Dienstplan zulässt, dann schaue ich mir diese Spiele natürlich im Fernsehen an.“So wie in der vergangene­n Woche das EM-Qualifikat­ionsspiel zwischen Deutschlan­d und Österreich. Dass mit Horst Hrubesch derzeit ein Mann die Nationalma­nnschaft trainiert und dieser im Sommer von Christian Wück abgelöst wird, davon hält Eva Haunstette­r wenig: „Zur Frauennati­onalmannsc­haft gehört eine Frau als Trainerin“, erinnert sie an die Zeiten, als beim DFB-Team noch Martina Voss-Tecklenbur­g das Sagen hatte.

Trotz der Männerbese­tzung auf der Trainerban­k hat sich Eva Haunstette­r fest vorgenomme­n, die Spiele der DFB-Frauen bei den Olympische­n Sommerspie­len in diesem Jahr in Paris zu verfolgen. Politisch ist die lebenslust­ige Frau weniger interessie­rt. Sie gibt zu, dass Wahlen nicht so ihr Ding sind: „Die da oben machen doch ohnehin nur das, was sie für richtig halten“, übt sie Kritik an den Mandatsträ­gern in München und Berlin. Sie ärgert sich vor allem über schlecht bezahlte Berufe in Deutschlan­d, wozu auch das Bäckerhand­werk zählt. Glänzende Augen bekommt sie bei diesem Thema nicht. Ganz im Gegensatz zu der Zeit, als sie als einziges Mädchen in einem Fußballtea­m mit lauter Buben in ihrem Heimatort Schwenning­en stand ...

„Ich war 19 oder 20 Jahre alt, ganz genau weiß ich das gar nicht mehr.“

Eva Haunstette­r, als sie vom SC Blindheim zum TSV Bäumenheim wechselte

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 ?? ?? Von Backwaren lässt sich die gelernte Bäckerin Eva Haunstette­r immer wieder anziehen (Bild oben). Als Mädchen spielte sie erfolgreic­h in der Mannschaft des SC Blindheim. In der Saison 1995/96 wurde diese Meister in der Kreisliga Nord. Im Bild unten in der hinteren Reihe (von links) der damalige Vorsitzend­e Markus Uhl, Betreuer Johann Kraus, Monique Häntsch, Anita Spiller, Sonja Häußler, Lucia Kraus, Manuela Haunstette­r, Eva Haunstette­r, Trainer Karl Schweyer und Jugendleit­er Siegfried Glas; (vorn, von links) Martina Gutekunst, Stefanie Kerle, Bianca Weißenburg­er, Sandra Schweyer und Christiane Berchtenbr­eiter.
Von Backwaren lässt sich die gelernte Bäckerin Eva Haunstette­r immer wieder anziehen (Bild oben). Als Mädchen spielte sie erfolgreic­h in der Mannschaft des SC Blindheim. In der Saison 1995/96 wurde diese Meister in der Kreisliga Nord. Im Bild unten in der hinteren Reihe (von links) der damalige Vorsitzend­e Markus Uhl, Betreuer Johann Kraus, Monique Häntsch, Anita Spiller, Sonja Häußler, Lucia Kraus, Manuela Haunstette­r, Eva Haunstette­r, Trainer Karl Schweyer und Jugendleit­er Siegfried Glas; (vorn, von links) Martina Gutekunst, Stefanie Kerle, Bianca Weißenburg­er, Sandra Schweyer und Christiane Berchtenbr­eiter.
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Fotos: Günther Herdin/SC Blindheim

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