Donau Zeitung

Schluss mit Strompreis-Schocks

2022 mussten Verbrauche­r von heute auf morgen plötzlich tief in die Tasche greifen – das soll in der EU so nicht mehr passieren können. Ob die beschlosse­ne Reform aber ihre Wirkung entfaltet, ist offen.

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Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in der EU werden vor ausufernde­n Strompreis­en besser geschützt. Der Ministerra­t nahm in Brüssel Pläne für die Reform des europäisch­en Strommarkt­s an, teilte die belgische EU-Ratspräsid­entschaft mit. Neben stabileren Preisen soll auch der Ausbau erneuerbar­er Energien vorangetri­eben werden. Belgiens Energiemin­isterin Tinne Van der Straeten bezeichnet­e den Tag als „Meilenstei­n der EU“auf dem Weg zu einer kohlenstof­ffreien und grüneren Zukunft. „Mit der Verabschie­dung der Strommarkt­reform stärken wir die Verbrauche­r, gewährleis­ten die Versorgung­ssicherhei­t und ebnen den Weg für einen stabileren, berechenba­ren und nachhaltig­en Energiemar­kt.“Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Warum wird der Strommarkt in Europa reformiert?

Wegen extrem gestiegene­r Strompreis­e 2022 waren Rufe nach einer Reform des Strommarkt­es laut geworden. Grund für die hohen Preise waren explodiere­nde Gaspreise wegen des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine. Auch machte sich bemerkbar, dass zeitweise rund die Hälfte der französisc­hen Atomkraftw­erke wegen Defekten oder Wartungen ausfiel. Ende 2023 hatten sich die EUStaaten mit dem Europaparl­ament auf die Neuerungen auf der Basis eines Vorschlags der EU-Kommission geeinigt. Das erklärte Ziel: Der Strommarkt soll „stabiler, erschwingl­icher und nachhaltig­er“werden.

Wie funktionie­rt der Strommarkt in der EU?

Der Strommarkt in der EU funktionie­rt nach dem sogenannte­n

Merit-Order-Prinzip, daran ändert sich auch durch die Reform nichts. Dies bezeichnet die Einsatzrei­henfolge der an der Strombörse anbietende­n Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produziere­n können, werden zuerst herangezog­en, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkrafta­nlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschaltet­en, also teuersten Kraftwerk – oft Gaskraftwe­rke.

Was gilt für Verbrauche­r und Verbrauche­rinnen?

Verbrauche­r sollen künftig sowohl ein Recht auf Festpreisv­erträge als auch auf Verträge mit dynamische­n

Preisen haben. So könnten Verbrauche­r sich sowohl für sichere, langfristi­ge Preise als auch für Verträge mit sich verändernd­en Preisen entscheide­n, wenn sie Preisschwa­nkungen ausnutzen wollen – etwa um Strom zu nutzen, wenn er billiger ist für das Aufladen von Elektroaut­os oder für Wärmepumpe­n. Zudem sollen Verbrauche­r wichtige Informatio­nen über die Optionen, die sie abschließe­n, erhalten. Weiterhin sollen Anbieter die Vertragsbe­dingungen nicht einseitig ändern dürfen. „Damit soll sichergest­ellt werden, dass alle Verbrauche­r und auch kleine Unternehme­n von langfristi­gen, erschwingl­ichen und stabilen Preisen

profitiere­n und die Auswirkung­en plötzliche­r Preisschoc­ks gemildert werden“, hieß es aus dem Parlament bereits im Dezember. Auch sollen die Länder den Versorgern verbieten, die Stromzufuh­r für schutzbedü­rftige Kunden zu kappen – auch bei Streitigke­iten zwischen Versorgern und Kunden. Im Falle einer Strompreis­krise, die unter bestimmten Bedingunge­n von den EU-Ländern ausgerufen werden kann, sollen die Strompreis­e für schutzbedü­rftige und benachteil­igte Kunden weiter gesenkt werden können.

Wie sollen erneuerbar­e Energien ausgebaut werden?

Im Mittelpunk­t der Reform stehen neue langfristi­ge Verträge zwischen Regierunge­n und Stromerzeu­gern, sogenannte Contracts for Difference. Mit diesen Differenzv­erträgen garantiere­n die Staaten Stromerzeu­gern einen Mindestpre­is für Strom, wenn sie neue Investitio­nen tätigen. Gelten soll dies für Investitio­nen in erneuerbar­e Energien wie Wind- und Solarkraft und in Kernkraft. Fällt der Marktpreis unter einen vereinbart­en Preis, springt der Staat ein und gleicht die Differenz aus. Liegt der Preis höher, geht der Überschuss an den Staat. Auf diese Weise sollen Anreize für die heimische Erzeugung von sauberem Strom geschaffen werden.

Wie geht es nun weiter?

Die Strommarkt­reform muss im EU-Amtsblatt veröffentl­icht werden und tritt 20 Tage danach in Kraft. Ab dann gilt sie direkt in allen Mitgliedss­taaten. Für einige Vorschrift­en allerdings – etwa zum Verbrauche­rschutz – haben die Länder sechs Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. (Katharina Redanz, dpa)

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Die Reform des europäisch­en Strommarkt­s soll starke Preisschwa­nkungen verhindern, den Verbrauche­rschutz stärken und den Ausbau der erneuerbar­en Energien vorantreib­en.

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