Alles spricht für Gabriel
Bundestagswahl Wer tritt für die SPD gegen Angela Merkel an? Die Entscheidung könnte früher als geplant fallen. Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat das Rennen um die Kanzlerkandidatur wohl aufgegeben
Augsburg Die SPD kann sicher nicht von sich behaupten, bei der Auswahl ihrer Kanzlerkandidaten sei in den vergangenen Jahren alles reibungslos gelaufen. Ganz im Gegenteil. Der Kandidatur von FrankWalter Steinmeier 2009 gingen eine innerparteiliche Intrige und der Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Kurt Beck voraus. Peer Steinbrück wurde vier Jahre später quasi über Nacht ausgerufen, nachdem Steinmeier vor Journalisten etwas zu früh über die Pläne der Partei geplaudert hatte. Und nun soll der Europapolitiker Martin Schulz gegenüber Genossen erklärt haben, dass er nicht mehr damit rechne, SPD-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl 2017 zu werden.
Eigentlich wollten die Sozialdemokraten erst am 29. Januar das Geheimnis lüften, mit wem sie in den Wahlkampf gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ziehen. Jetzt könnte der Zeitplan wieder infrage gestellt werden. Auch wenn der stellvertretende Vorsitzende Ralf Stegner umgehend betonte: „Entschieden wird – wie immer angekündigt – im Januar.“Allerdings heißt es aus SPDKreisen auch, dass bereits ein Treffen des Führungszirkels am 10. Januar in der Nähe von Düsseldorf Klarheit bringen könnte. Teilnehmer sollen nach einem Bericht des Tagesspiegel unter anderem SPDChef Sigmar Gabriel, die nordrheinwestfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs regie- render Bürgermeister Olaf Scholz und der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sein.
Das Recht des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkandidatur der Sozialdemokraten hat schon kraft Amtes Parteichef Sigmar Gabriel. Ihn favorisierten zuletzt auch führende SPD-Politiker. Nach den Regierungschefs von Berlin und Schleswig-Holstein, Michael Müller und Torsten Albig, sprach sich jetzt der im sogenannten Seeheimer Kreis zusammengeschlossene rechte SPDFlügel für Gabriel aus. „Wir brauchen als Kanzlerkandidaten eine Kämpfernatur, der die Unterschiede zwischen SPD und Union klar herausarbeitet“, sagte SeeheimerSprecher Johannes Kahrs. „Deshalb bin ich dafür, dass er antritt.“Der Berliner Regierungschef Müller hatte betont, Gabriel sei ein „guter, kraftvoller und ideenreicher Politiker“. Und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig sagte: „Der Vorsitzende einer so stolzen Partei wie meiner ist dazu prädestiniert, seine Partei in den Wahlkampf zu führen.“
Allerdings gab es unter SPD-Mitgliedern auch Stimmen, die gehofft hatten, der in Umfragen deutlich populärere Schulz würde nach der Kanzlerkandidatur greifen. Deshalb hatte es in den vergangenen Wochen in der SPD von verschiedener Seite Versuche gegeben, ihn zu überreden, seine Bewerbung öffentlich zu erklären und so einen Mitgliederentscheid über den Posten herbeizuführen. Zu den jüngsten Spekulationen, er habe das Rennen aufgegeben, wollte sich der 61-Jährige gestern nicht äußern. Schulz wechselt im Januar in die Bundespolitik und wird auch als möglicher Nachfolger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier gehandelt, wenn dieser am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt wird.
Auch Gabriel, seit 2009 an der SPD-Spitze, hält sich bisher bedeckt. Auf die Frage, ob Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz in einer Hand liegen sollten, hatte er in einem Interview lediglich geantwortet: „Dafür spricht viel.“Allerdings hatte es zuletzt auch Spekulationen um seinen Gesundheitszustand gegeben. Tatsache ist, dass sich der 57-Jährige vor Weihnachten drei Tage lang in einer Klinik in Hessen befand. Die Bild-Zeitung hatte zuvor berichtet, der Vizekanzler und Wirtschaftsminister sei wegen einer Diabetes-Erkrankung am Magen operiert worden. Ziel des Eingriffes sei gewesen, den Insulin-Haushalt Gabriels zu stabilisieren. In der Vergangenheit habe sich der SPD-Chef wegen seiner medikamentös schwer einzustellenden Diabetes mehrmals pro Jahr in stationäre Behandlung begeben müssen.