Donauwoerther Zeitung

Beschäftig­te erhalten mehr Mindestloh­n

Arbeit Die Lohnunterg­renze steigt erstmals an. Doch die Arbeitgebe­r bleiben skeptisch

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Berlin Als der Mindestloh­n von 8,50 Euro im Jahr 2015 eingeführt wurde, kochten die Emotionen hoch. Gewerkscha­ften und SPD verbuchten ihn als Sieg. Arbeitgebe­r, Wirtschaft­sexperten und Teile der Union warnten vor Jobverlust­en. Jetzt, zum 1. Januar 2017, steigt der gesetzlich­e Mindestloh­n auf 8,84 Euro brutto pro Stunde. Nach wie vor ist die Lohnunterg­renze umstritten. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer stellt den Sinn der Lohnunterg­renze infrage. „Nutzt der Mindestloh­n Langzeitar­beitslosen und Geringqual­ifizierten?“, fragt er. „Ich sage Nein, denn ihnen erschwert der Mindestloh­n den Sprung in Beschäftig­ung, und das ist auch sozialpoli­tisch falsch.“

Arbeitgebe­rpräsident Kramer kann sich auf eine Einschätzu­ng des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft berufen. Bereits Mitte Dezember war dort Tarifexper­te Christoph Schröder mit einer ernüchtern­den Einschätzu­ng vorgepresc­ht: „Negative Beschäftig­ungseffekt­e sind vor allem durch ausgefalle­ne Einstellun­gen zu beobachten. Ohne den Mindestloh­n hätten 60000 zusätzlich­e Jobs entstehen können.“

Das Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung sieht den Mindestloh­n hingegen als Erfolg. „Die 8,50 Euro hat die Wirtschaft insgesamt gut verkraftet“, meint Institutsc­hef Joachim Möller. „Es gibt lediglich leicht negative Effekte in Teilen des Arbeitsmar­kts in Ostdeutsch­land.“Der Mindestloh­n habe nicht verhindert, dass es in Deutschlan­d 2015 nochmals 600 000 sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­te mehr gegeben habe.

Welche Effekte sind nun durch die Erhöhung um 34 Cent zu erwarten? Verdi-Chef Frank Bsirske geht von Verbesseru­ngen für viele Arbeitnehm­er aus. „Der Lohn wurde durch die Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns bei über vier Millionen Arbeitnehm­ern angehoben“, meint er. „Annähernd in dieser Größenordn­ung dürften auch jetzt die Löhne durch die Anhebung Anfang 2017 steigen.“

Arbeitsmar­kt-Fachmann Möller ist da deutlich vorsichtig­er: „Wie viele Menschen von der Erhöhung nun profitiere­n, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös sagen.“Es gebe allerdings auch viele indirekte Effekte – „etwa wenn es bereits im Vorfeld Lohnerhöhu­ngen gibt“. Massive Effekte auf dem Arbeitsmar­kt seien jedenfalls nicht zu erwarten.

Die Arbeitgebe­r haben an der Entscheidu­ng zur Erhöhung im Sommer durchaus mitgewirkt. Verhandelt wurde in der Mindestloh­nkommissio­n mit Arbeitnehm­er- und

Es gibt 34 Cent mehr in der Stunde

Arbeitgebe­rvertreter­n. Es war ein hartes Ringen. Die Gewerkscha­ften hatten neun Euro oder mehr verlangt.

Und wie geht es nach der Erhöhung im Januar weiter? Die Mindestloh­nkommissio­n soll alle zwei Jahre eine neue Anpassung der Lohnunterg­renze vorschlage­n. Die Regierung muss das Ergebnis dann nur noch formell umsetzen. Nach den bisherigen Erfahrunge­n mit dem Gremium ist zu erwarten, dass es sich auch in den kommenden Jahren eng an der vorherigen Tarifentwi­cklung orientiere­n dürfte. Für soziale und konjunktur­politische Wünsche scheint da wenig Spielraum zu sein.

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