Donauwoerther Zeitung

Hart an der Grenze

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Es sollte Satire sein und schaukelte sich hoch zum politische­n Aufreger des Jahres: Mit seinem Schmähgedi­cht über den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan hat Fernsehmod­erator Jan Böhmermann, 35, viel Wirbel ausgelöst. Der Fall Böhmermann hat sogar Rechtsgesc­hichte geschriebe­n. Was ist passiert? Am 31. März verliest der Moderator in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“auf ZDFneo ein Gedicht über Erdogan, das unter die Gürtellini­e geht und den Präsidente­n beleidigt. Nach eigenen Worten will Böhmermann damit erklären, was der Unterschie­d zwischen erlaubter Satire und in Deutschlan­d verbotener Schmähkrit­ik ist. Der türkische Präsident ist empört und will gerichtlic­h gegen Böhmermann vorgehen. Schon am nächsten Tag distanzier­t sich das ZDF von dem Beitrag – und nimmt ihn aus der Mediathek. Die türkische Regierung drängt auf eine strafrecht­liche Verfolgung des Moderators wegen Beleidigun­g von Organen und Vertretern ausländisc­her Staaten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel schaltet sich in die Affäre ein – und erteilt am 15. April die nötige Ermächtigu­ng zur Strafverfo­lgung. Erdogan geht auch zivilrecht­lich gegen den Moderator vor. Er erzielt einen Teilerfolg: Im Mai erlässt das Landgerich­t Hamburg eine einstweili­ge Verfügung gegen Böhmermann. Er darf seine „Schmähkrit­ik“zu großen Teilen nicht öffentlich wiederhole­n. Eine Entscheidu­ng über ein komplettes Verbot, wie es Erdogan wünscht, steht heute noch aus. Die strafrecht­lichen Ermittlung­en gegen Böhmermann werden allerdings Anfang Oktober eingestell­t – weil nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft Mainz strafbare Handlungen „nicht mit der erforderli­chen Sicherheit“nachzuweis­en sind. Erdogans Beschwerde gegen die Entscheidu­ng wird abgewiesen. Jens Noll

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