Donauwoerther Zeitung

Mister Brexit

-

Es gehört zu den großen Rätseln dieses an Rätseln nicht gerade armen Jahres, wie der Mann damit durchkomme­n konnte. Boris Johnson ist ein Politiker, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Obwohl er den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union für einen ziemlichen Quatsch hält, setzt er sich an die Spitze der Brexit-Bewegung. Warum? Einfach nur, weil er Karriere machen will. Und weil er damit einem alten Rivalen eins auswischen kann. Der Mann heißt David Cameron und er hat in diesem Jahr alles riskiert. Um die ewigen Diskussion­en über die Rolle der Briten in Europa ein für alle Mal zu beenden, zettelt der Premier ein Referendum an. Er lässt das Volk über den EU-Austritt abstimmen und rechnet fest mit einem Erfolg. Aber er rechnet nicht mit seinem alten Bekannten aus Studentent­agen: Boris Johnson. Der Ex-Bürgermeis­ter von London wird zu seinem großen Gegenspiel­er. Mit populistis­chen Parolen, falschen Zahlen und halben Wahrheiten hetzt er die Briten gegen Europa auf. Und es klappt. Mit knapper Mehrheit stimmen die Menschen auf der Insel im Juni für den Brexit. Das Problem an der Sache: Keiner hat einen Plan, wie das überhaupt funktionie­ren soll. Erst recht nicht Johnson. Der Mann, der ansonsten nie um einen coolen Spruch verlegen ist, der nie einer Kamera aus dem Weg geht, taucht tagelang unter. Denn die Stimmung dreht sich. Für viele Briten ist „Mister Brexit“jetzt der Böse. Der Mann, der das Land aus niederen Motiven ins Verderben gestürzt hat. Doch die Zeche zahlt ein anderer: Cameron tritt zurück. Er musste einsehen, dass er sich verzockt hatte. Theresa May zieht in „10 Downing Street“ein. Sie muss jetzt die Scherben zusammenke­hren und auf die Frage, wie das gehen soll, erfindet sie eine verblüffen­d geniale Universala­ntwort: „Brexit heißt Brexit“. Und dann tut sie etwas, womit keiner mehr gerechnet hatte: Sie befördert Boris Johnson zum Außenminis­ter. Irgendwie rätselhaft, oder? Michael Stifter

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany