Der Chancenlose
Experten, Politiker und nicht zuletzt die Medien in den USA, ja weltweit waren sich einig: Donald Trump hat keine Chance. Gleichzeitig aber war dieser so schillernde wie rüpelhaft-cholerische Blondschopf für Presse, Funk und vor allem Internet der mit Abstand faszinierendste Matador bei den Vorwahlen. So hatte der krasse Außenseiter die höchste Aufmerksamkeit in den Medien. Als klar galt anfangs dennoch: Niemals wird sich der Milliardär und TV-Star bei den Vorwahlen als Kandidat der altehrwürdigen Republikaner für die Präsidentschaftswahlen durchsetzen. Und danach: Niemals wird er als Präsidentschaftskandidat der altehrwürdigen Republikaner eine Chance gegen die hochprofessionelle Hillary Clinton haben. Und nun? Einmal: Die Republikaner sind vielleicht gar nicht mehr so altehrwürdig. Zum Zweiten: Trump wird in zwei Wochen in Washington als 45. Präsident der USA vereidigt. Das ist – sieht man einmal davon ab, dass Leicester City 2015/16 englischer Fußballmeister wurde – eine beispiellose Sensation. Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick könnte der Erfolg des 70-Jährigen als Lehrstück dafür gelten, wie eine latente Unzufriedenheit in beachtlichen Teilen der Bevölkerung zu einer dynamischen Bewegung anschwillt. Und zwar zunächst fast unbemerkt von der liberal-intellektuellen Mittel- und Oberschicht. Den Eliten in Washington, New York oder San Francisco ist das Gespür dafür, was beispielsweise die von Abstiegsängsten geplagte Bevölkerung in einer Kleinstadt im Mittleren Westen fühlt und denkt, abhanden gekommen. Ein Gespür, das den designierten US-Präsidenten auszeichnet. Die Folgen dürften gravierend sein: Noch nie war derart unklar, was der Führer der noch immer mächtigsten Nation vorhat. Und das in einer Phase der weltweiten Instabilität. Die bange Frage lautet: Was wird an dieser Stelle wohl Ende 2017 zu lesen sein? Simon Kaminski