Der Minister will den starken Staat
Sicherheit Thomas de Maizière (CDU) plant, Deutschland mit einem Rundumschlag krisenfester auch gegen islamistische Anschläge zu machen. Doch die Hürden für die Umsetzung sind hoch
Berlin Nach dem Lkw-Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten und dutzenden Verletzten steht die Sicherheitsstruktur in Deutschland auf dem Prüfstand. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat nun „Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten“vorgelegt. Er plädiert für eine Neuordnung, die teils tief in die föderale Struktur der Bundesrepublik eingreifen könnte.
Wo gibt es Defizite bei den Sicherheitsbehörden?
Der mutmaßliche Attentäter Anis Amri war den Sicherheits- und Ausländerbehörden in Deutschland und Italien lange bekannt, er wurde monatelang vom Geheimdienst überwacht. Auch Sicherheitsexperten der Koalition haben erhebliche Zweifel daran, dass der Austausch auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene ausreichend funktioniert hat. Polizeiarbeit ist in Deutschland Zuständigkeit der Länder – was ein koordiniertes Vorgehen nicht immer einfach macht. Letztlich ist Amri wohl aus dem Visier der Behörden verschwunden – klar ist das aber auch noch nicht. Der Anschlag am 19. Dezember konnte nicht verhindert werden und der 24-jährige Tunesier flüchtete unerkannt über mehrere europäische Grenzen bis nach Mailand. Dort starb er am 23. Dezember bei einem Schusswechsel mit der Polizei.
War de Maizière bisher untätig?
Nein. Der Minister will, dass gefährliche abgelehnte Asylbewerber häufiger als bisher in Abschiebehaft genommen werden können. Daten von Sicherheitsbehörden in der EU sollen einfacher ausgetauscht werden können. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Union arbeiten daran, in Nordafrika Schutzzonen für Flüchtlinge einzurichten, die aus dem Mittelmeer gerettet werden und in denen über deren Zukunft entschieden werden soll. Außerdem appelliert de Maizière schon lange an die Bundesländer, abgelehnte Asylbewerber häufiger und schneller als bislang in ihre Heimatländer abzuschieben.
Kann de Maizière seine Vorschläge so einfach umsetzen?
Nein. Eine Abschaffung etwa der Landesämter für Verfassungsschutz wäre nur im Einvernehmen mit den Ländern möglich, das weiß auch der Minister. Bei fast allen Punkten dürfte eine Zustimmung des Bundesrats nötig sein, weil Länderbelange betroffen wären. Angesichts der Kräfteverteilung in der Länderkammer ist eine Mehrheit für de Maizières Pläne ziemlich unwahrscheinlich.
Müsste auch das Grundgesetz geändert werden?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Juristen sagen, dies hänge von der Ausgestaltung möglicher Änderungen etwa beim Verfassungsschutz oder beim BKA ab. Eine Grundgesetzänderung dürfte wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit im Bundestag mindestens so schwierig sein wie eine Zustimmung des Bundesrats.
Was sagt der Koalitionspartner, die SPD?
Die Sozialdemokraten zeigen sich bei Punkten wie der Videoüberwachung oder einer härteren Abschiebepraxis bei abgelehnten Asylbewerbern zwar gesprächsbereit. SPD-Chef Sigmar Gabriel will allerdings mit einem eigenen Konzept punkten. Gabriel plädiert in einem Papier zum Thema innere Sicherheit für mehr Videoüberwachung und Abschiebehaft für ausreisepflichtige sogenannte Gefährder. Er reklamiert die Sicherheitspolitik als „ursozialdemokratisches Thema“. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte, Zentralisierung führe zu Behäbigkeit im Kampf gegen den Terrorismus.
Warum ist de Maizière trotzdem vorgeprescht?
Der für die Sicherheit in Deutschland verantwortliche Minister dürfte sich im Wahljahr nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, zu wenig gegen weitere Anschläge getan zu haben. Das Kanzleramt und Regierungschefin Angela Merkel waren zwar vorab grundsätzlich über den Vorstoß des Ministers unterrichtet, eine inhaltliche Abstimmung hat es demnach aber nicht gegeben.
Wie reagiert die CSU auf den Vorstoß des Ministers?
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), reagierte auffällig zurückhaltend auf das Konzept. Die Vorschläge „enthalten einige interessante und überlegenswerte Ansätze“. Vorrangig müsse es aber „um notwendige inhaltliche Rechtsänderungen gehen, nicht um Zuständigkeitsfragen“.