„Ein Stück Machtwechsel“
Bundespräsident Am 12. Februar wird ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Schon immer war die Wahl ein Seismograf
Berlin Knapp nur hatten CDU und CSU die erste Bundestagswahl im August 1949 vor der SPD gewonnen, viele Christdemokraten plädierten für eine Große Koalition mit der SPD. Doch Konrad Adenauer strebte eine „kleine“Koalition mit der FDP an. Am 21. August 1949 stellte er bei einem Treffen mit Parteifreunden die Weichen. Er selber wolle Bundeskanzler werden, die FDP als zweitstärkste Partei solle das Staatsoberhaupt stellen, kündigte er an: „Ich schlage deshalb Professor Heuss als Bundespräsident vor.“Auf die Frage, ob Heuss „von seinem Glück“schon wisse, gab Adenauer zu: „Bis jetzt noch nicht“.
Doch der Coup Adenauers gelang. Die Wahl von Heuss zum Bundespräsidenten band die FDP fest an die Seite der Union, die sich damit für 20 Jahre die Macht sicherte.
Die Wahl eines Bundespräsidenten war in der Geschichte der Bundesrepublik schon immer mehr als eine bloße Persönlichkeitswahl, sie war jedes Mal aufs Neue auch eine Richtungswahl. Sie gab Aufschluss über das politische Kräfteverhältnis und reagierte einem Seismografen gleich auf Veränderungen im Machtgefüge.
Nie wurde dies deutlicher als 1969. In Bonn regierte noch die erste Große Koalition, als Heinrich Lübke (CDU) zum 30. Juni vorzeitig aus dem Amt ausschied. Bei der bislang spannendsten und engsten Wahl eines Präsidenten setzte sich im dritten Wahlgang der Sozialdemokrat Gustav Heinemann dank Unterstützung der FDP mit sechs Stimmen Vorsprung gegen Verteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU) durch – Vorbote der sozialliberalen Koalition, die SPD und FDP nach der Bundestagswahl im Herbst schmiedeten. Heinemann nannte seine Wahl ganz bewusst mit Blick auf die neuen Mehrheitsverhältnisse „ein Stück Machtwechsel“. 1974 regierte die SPD/FDPKoalition so souverän, dass Walter Scheel bereits im ersten Wahlgang zum Staatsoberhaupt gekürt wurde.
Doch die Machtverhältnisse im Bund und den Ländern änderten sich. 1979 hatten CDU und CSU in der Bundesversammlung die Mehrheit zurückgewonnen und nutzten diese, um ihren Kandidaten Karl Carstens durchzusetzen – erneuter Vorbote einer Wende. Drei Jahre später zerbrach die sozialliberale Koalition in Bonn, es folgte die 16-jährige Kanzlerschaft Helmut Kohls mit den CDU-Präsidenten Richard von Weizsäcker (1984 bis 1994) und Roman Herzog (1994 bis 1999).
Den Aufstieg und das schnelle Ende der rot-grünen Koalition schließlich belegten die Präsidentenwahlen 1999 und 2004. Wenige Monate nachdem Gerhard Schröder Bundeskanzler geworden war, wählten SPD und Grüne im Mai 1999 den Sozialdemokraten Johannes Rau ins höchste Amt des Staates. Aber schon fünf Jahre später hatten CDU, CSU und FDP die Mehrheit in der Bundesversammlung zurückerobert. Gemeinsam setzten sie ihren Kandidaten Horst Köhler im ersten Wahlgang durch und bestätigten ihn 2009 im Amt. Dank ihrer Mehrheit brachte die schwarz-gelbe Koalition nach dem überraschenden Rücktritt Köhlers auch 2010 ihren Kandidaten, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), ins höchste Staatsamt, selbst wenn dieser gegen den von SPD und Grünen aufgestellten Joachim Gauck drei Wahlgänge benötigte. Zwei Jahre später, nach dem Rücktritt Wulffs, war der Weg doch noch für Joachim Gauck frei. Ein Jahr später folgte die Große Koalition, die nun für die Wahl am 12. Februar Frank-Walter Steinmeier (SPD) nominiert hat.