Rapunzel übernimmt Zwergenwiese
Biobranche Das Unterallgäuer Naturkost-Unternehmen kauft den Brotaufstrich-Hersteller aus dem Norden. Warum das für die Geschäftsführer eine Herzensangelegenheit ist
Augsburg Wäre das Leben ein Märchen, würde die Geschichte der Unternehmen Rapunzel Naturkost und Zwergenwiese Naturkost an dieser Stelle mit „und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“schließen. Tatsächlich beginnt am 28. Februar aber ein neues Kapitel für die beiden Bio-Lebensmittelhersteller: Das Unternehmen Rapunzel aus Legau (Kreis Unterallgäu) erwirbt Zwergenwiese, das hauptsächlich Streichcremes und Fruchtgelees herstellt.
Rapunzels Marketing-Leiterin Heike Kirsten betont, dass es keine Übernahme im klassischen Sinn sei. Zwergenwiese soll ein eigenständiges Unternehmen bleiben, Mitarbeiter, Sortiment und der bisherige Standort in Schleswig-Holstein werden beibehalten. Für RapunzelGründer Joseph Wilhelm und Zwergenwieses Gründerin Susanne Schöning sei der Verkauf eher eine persönliche Angelegenheit. Beide sind Öko-Pioniere der ersten Stunde und haben ihre Unternehmen in den 70ern und 80ern gegründet. Jetzt kommen sie in ein Alter, in dem man schon mal an das Aufhören denkt, so ging es zumindest Schöning. In Wilhelm, den sie noch von den Anfängen der Bio-Bewegung kennt, habe sie einen würdigen Nachfolger gefunden, der ihr Lebenswerk weiterführen soll. „Für Rapunzel wie für Zwergenwiese ist Bio ein gelebter, gesellschaftlicher Gegenentwurf zu einseitigen, rein quantitativen Wachstumszielen“, teilt Schöning mit.
Rapunzel, das seinen Anfang als kleiner Naturkostladen in der Augsburger Katharinengasse nahm, setzte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 200 Millionen Euro um. Wilhelm und seine Angestellten waren 1987 weltweit die Ersten, die eine Bio-Schokolade auf den Markt gebracht haben, mittlerweile haben sie über 500 Produkte im Sortiment – von Müsli bis Wein. Trotz des Erfolgs bleibt Wilhelm seiner Linie treu, Nachhaltigkeit ist nach wie vor die Richtschnur des Unternehmens.
Wilhelm und Schöning hatten sich über die Jahre aus den Augen verloren. Als Wilhelm aber 2007 den „Genfrei gehen“-Marsch organisierte, der von Lübeck nach Lindau führte und ein Zeichen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel setzen sollte, trafen sie sich wieder. Schöning, die nach dem Abitur in der eigenen Küche mit vegetarischem Zwiebelschmalz experimentierte, hat in den vergangenen dreißig Jahren ein BrotaufstrichImperium aufgebaut, das zuletzt einen Jahresumsatz von etwa 25 Millionen Euro machte.
Auch ihr ging es immer darum, ökologisch nachhaltige Produkte herzustellen, sie identifizierte sich mit Wilhelms Aktion gegen Gentechnik in Lebensmitteln und sorgte für die Verpflegung auf dem Marsch, erzählt Marketing-Leiterin Kirsten. Rapunzels Motto „Wir machen Bio aus Liebe“trifft also auch auf Zwergenwiese zu. Da überrascht es nicht, dass beide Unternehmen weniger von einer Übernahme als von einer „Märchenhochzeit“sprechen. Für Schöning, die jetzt ihr Unternehmen abgibt, scheint es jedenfalls ein Happy End zu sein.
1987 brachte Rapunzel die erste Bio Schokolade raus