Bayerns Windkraft in der Flaute
Energie Bundesweit erlebt die Branche einen Boom. Doch im Freistaat ist alles anders. Hier geht die Zahl neuer Anlagen zurück. Ursache ist der besondere Kurs der Staatsregierung
Augsburg Mitte vergangenen Jahres zeigte sich die Windkraft-Branche noch alarmiert. Es bestand die Befürchtung, dass die Bundesregierung mit ihren Gesetzesänderungen den Ausbau an Windkraftanlagen ausbremst. Doch tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Windenergie in Deutschland erlebt einen Boom. Eine Ausnahme stellt Bayern dar. Hier tritt die Windenergie auf der Stelle. Das aber hat offensichtlich ganz andere, landespolitische Gründe.
Insgesamt drehen sich heute in Deutschland bereits über 27 000 Windräder mit einer Leistung von fast 46 000 Megawatt. Die Windkraft war noch nie so stark wie heute. Im vergangenen Jahr kamen 1288 Windräder hinzu. Das zeigen aktuelle Daten des Bundesverbandes Windenergie. Die neuen Anlagen können eine Leistung von 4259 Megawatt erzeugen – je nachdem, wie stark der Wind weht. Zum Vergleich: Ein Block des Kernkraftwerks Gundremmingen leistet rund 1300 Megawatt. Der Neubau 2016 ist auch im zeitlichen Vergleich hoch. Nur 2014 wurden mehr neue Windkraftanlagen errichtet. Und eine große Zahl weiterer Anlagen befindet sich noch in Planung.
Im Jahr 2016 kam es anscheinend zu einem regelrechten Ansturm an Neuanträgen: Zum 31. Dezember 2016 waren in ganz Deutschland 2053 weitere Windräder von den Behörden genehmigt worden, aber noch nicht in Betrieb gegangen. Dies entspricht einer weiteren Leistung von 6128 Megawatt – wenn der Wind gut weht, ist dies so viel Strom, wie gut vier Atommeiler erzeugen können. Und die Zahl könnte noch vorsichtig geschätzt sein. Energiestaatssekretär Rainer Baake ging der Süddeutschen Zeitung zufolge kürzlich auf einer Konferenz davon aus, dass sich in der Pipeline Windkraft-Projekte mit einer Leistung von 8500 Megawatt befinden – also deutlich mehr.
Grund für den Ansturm an Neuanträgen ist wohl eine Umstellung der Förderung: Bisher erhielten Betreiber von Windkraftanlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine fixe Vergütung pro Kilowattstunde. Die EEG-Novelle sieht nun aber vor, dass Projekte ab 2017 über Ausschreibungen vergeben werden: Wer zu den niedrigsten Konditionen baut, erhält den Zuschlag. Da wundert es Beobachter nicht, dass noch viele Neuanträge 2016 eingingen: Denn wer vergangenes Jahr seinen Antrag gestellt hat und seine Anlage vor dem 31. Dezember 2018 in Betrieb nimmt, profitiert noch vom alten Vergütungssystem.
Doch während die Windenergie in Deutschland Rückenwind hat, sieht es in Bayern anders aus: Hier sind die Zahlen rückläufig. Gingen im Jahr 2014 noch neue Anlagen mit einer Leistung von 410 Megawatt ans Netz, sank die Zahl 2015 auf 372 Megawatt und 2016 auf 340 Megawatt. Was Windkraft-Kritiker freuen dürfte, schmerzt die Befürworter der Windenergie: „Besonders ernüchternd ist die Tatsache, dass die Zubauten im Jahr 2016 überwiegend aufgrund von Genehmigungen stattfanden, die noch aus der Zeit vor der 10H-Abstandsregelung stammen“, sagte der Landeschef des Bundesverbands Windenergie, Raimund Kamm, der auch als Gegner des Atomzwischenlagers Gundremmingen bekannt ist. Bayern schreibt für neue Windräder heute einen Mindestabstand des zehnfachen ihrer eigenen Höhe zu Wohngebäuden vor – daher „10H“. Bayern sei das einzige Bundesland, das den Bau von Windrädern entprivilegiert hat, kritisiert Kamm. „Kein Wunder, dass der Ausbau der Windenergie jetzt schrumpft“, sagt er.
Den Verbrauchern hilft es übrigens nur wenig, wenn in Bayern der Windkraft-Ausbau gedämpft wird: Die Ökostrom-Umlage, die Stromkunden zahlen, wird schließlich bundesweit berechnet. Und hier legt die Windkraft ja zu.