Günstiger Wohnen auch in Vororten
Vorstoß Die Großstädte wollen ihre kleinen Nachbarn beim sozialen Wohnungsbau in die Pflicht nehmen. Augsburgs Oberbürgermeister bekommt für diese Forderung prominente Unterstützung
Berlin „In Deutschland gibt es viel zu wenig Wohnraum, bis 2020 fehlen rund eine Million Wohnungen – das wird in den kommenden Jahren unsere größte Herausforderung“, sagt Kurt Gribl. Der Augsburger Oberbürgermeister ist Vizepräsident des Deutschen und designierter Präsident des Bayerischen Städtetags. Jetzt hat sich Gribl in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen, um über mögliche Lösungen für das Problem zu sprechen, das die starke Zuwanderung von Geflüchteten noch einmal deutlich verschärft habe.
Vor allem eine von Gribls Ideen könnte erhebliche Reibereien zwischen Großstädten und ihren kleineren Nachbarkommunen auslösen – auch wenn sie sich zunächst harmlos anhören. Er fordert, dass die Planungen im Wohnungsbau künftig viel stärker überregional erfolgen müssten. Denn gerade in Großstädten sei die Wohnungsnot meist am größten. Gleichzeitig seien dort kaum noch Flächen für Neubauten vorhanden. Für die Städte werde es immer schwieriger, ihrer Verantwortung bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für sozial schwächere Bürger nachzukommen.
„Auch der Polizist und die Krankenschwester müssen die Chance haben, bezahlbar in der Region zu wohnen, in der sie arbeiten.“
Kurt Gribl, Vizepräsident des Städtetags
Viele kleinere Kommunen in Großstadtnähe dagegen – das lasse sich in ganz Deutschland beobachten – setzten sehr einseitig auf Einfamilienhaussiedlungen für Besserverdienende. Obwohl sie noch über deutlich mehr für den Wohnbau nutzbare Flächen verfügten, drückten sie sich davor, auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Durch eine regionale Wohnungsbauplanung, so Gribl, könnten auch Vororte quasi dazu verpflichtet werden, etwa Häuser für Geringverdiener oder Flüchtlinge zu bauen. Er nennt es eine Art „Zwangssolidarität“. Für alle Kommunen müsse künftig die Pflicht gelten, entsprechend einem Einwohnerschlüssel für eine bessere Mischung der Wohnformen zu sorgen. Der CSUPolitiker weiß um die Brisanz: „Natürlich gibt es viele Ängste vor einer veränderten Sozialstruktur. Doch es geht eben gerade nicht darum, Gettos zu bauen.
In den Großstädten zeigt sich, dass eine bessere gesellschaftliche Durchmischung allen Bewohnern Die Umlandgemeinden würden im Gegenzug auch stärker als bisher bei der Infrastrukturplanung eingebunden, etwa wenn es um Straßen, den öffentlichen Nahverkehr oder den Bau von Schulen gehe.
Gribl spricht sich in diesem Zusammenhang gegen einen Wohnungsbau rein für Geflüchtete aus: „Anerkannte Flüchtlinge müssen auf dem Wohnungsmarkt behandelt werden wie jeder andere auch. Sie dürfen nicht bessergestellt werden als etwa eine alleinerziehende Mutter, die schon lange nach einer bezahlbaren Wohnung sucht.“
Die Diskussion um die Wohnungsnot drehe sich viel zu sehr um die Superreichen auf der einen und die ganz Armen auf der anderen Seite, sagt Gribl: „Tatsache ist, dass sich gerade Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen, die keinen Anspruch auf Unterstützung haben, immer schwerer tun, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Auch der Polizist und die Krankenschwester müssen die Chance haben, bezahlbar in der Region zu wohnen, in der sie arbeiten.“
Der Staat müsse deshalb jetzt mit allen Mitteln versuchen, für mehr Wohnungsbautätigkeit zu sorgen. Es müsse über bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Mietimmobilien ebenso gesprochen werden wie über die schnellere und einfanutzt.“
chere Ausweisung von Baugebieten. Auch eine Diskussion über Standards und Vorschriften am Bau sei dringend notwendig. Kommunale und gemeinnützige Wohnbaugesellschaften müssten ihre Aktivitäten deutlich verstärken, so Gribl. Es dürfe bei einer künftigen Wohnbaupolitik aber nicht nur um Mietwohnungsbau gehen. Auch die Eigentumsbildung müsse der Staat nach Kräften unterstützen – etwa durch ein Baukindergeld.
Laut Gribl sieht auch Kanzlerin Merkel in der Bekämpfung der Wohnungsnot eine vorrangige Aufgabe. Sie wolle seine Vorschläge in die Diskussionen um das UnionsWahlprogramm einfließen lassen.