Der Super Marktplatz für das Schöne
Kunstmarkt Wenn in Maastricht alljährlich die bedeutendsten Galerien der Welt ihre Ware feilbieten, dann ist die Ballung von Ästhetik und Objektwert immens. Einige erstaunliche Beispiele für Seltenes, Exquisites und Teures
Maastricht Bescheiden, ärmlich geht’s auf der weltgrößten und bedeutendsten Kunstmesse nun wirklich nicht zu. Die fünf-, sechs-, siebenstelligen Euro-Beträge fliegen einem nur so um die Ohren auf der sogenannten TEFAF, die als temporärer Umschlagplatz fürs hauptsächlich Alte und hauptsächlich Schöne weiter expandiert – ab 2017 mit jährlich zwei Ablegern in New York. Rund 275 Kunsthandlungen präsentieren hier tausende von Bildern, Skulpturen, Antiquitäten, Antiken, auch Juwelen und Designerstücke. Die Wertakkumulation ist immens und überspringt in einer einzigen Halle leicht die Milliardengrenze, wie der geneigte Leser hier schnell wird hochrechnen können.
Fangen wir klein an auf diesem Marktplatz mit innenarchitektonisch wirkungsvoll gestalteten Messeständen, fetten Teppichen und mittlerweile so perfekten Ausleuchtungen, dass alte Niederländer in Öl plötzlich von der Wand strahlen wie Flachbildschirme. Fangen wir an mit dem „Blumen-Raffael“. Nie gehört, obwohl der Blumen-Breughel in Abgrenzung zum Bauern-Breughel ein Begriff ist? Macht nichts, das ist keine gravierende Wissenslücke. Obwohl der „Blumen-Raffael“, wie ihn seine Freunde in Rom zu Beginn des 19. Jahrhunderts nannten, exquisit aquarellieren konnte. Schauen Sie sich das nebenstehende Pflanzenstillleben mit u.a. Mimosen, Granatapfelblüten und Buschwinden an: schön komponiert, wunderbar detailliert ausgeführt, staunenswert farbfrisch. Bürgerlich hieß dieser Raffael: Adolf Senff. Und er lernte einst sein Handwerk – wie Caspar David Friedrich – u. a. bei Gerhard von Kügelgen in Dresden, wo er als Hauslehrer seinerseits die Kinder unterrichtete. Gut 50 Zentimeter ist das BlumenAquarell hoch – und kostet bei Teeuwisse/Berlin 38000 Euro.
Eine vortrefflich aquarellierte blaue Iris findet sich auch im Handschriften-Antiquariat Tenschert/ Schweiz. Aber jetzt wird es richtig teuer. Denn diese Naturansicht ist mit rund 750 weiteren akribischen ger einer von Laue vermittelten Mayer-Steinschneidearbeit, einer Blutjaspis-Schale.
Was ist noch zu haben, also standesgemäß noch nicht in Museumshand? Na, zum Beispiel das erste Werk des 22-jährigen Giambologna, ein Julius Cäsar in klassischer AktPose mit Standbein/Spielbein aus Lindenholz, plastisch-muskulär geschnitzt (Tomasso/Großbritannien, 1,4 Millionen Euro). Zum Beispiel ein außerordentlich starkes MaxBeckmann-Porträtbild seiner Geliebten „Naila“mit mondäner Ausstrahlung zum Extra-Preis von 25 Millionen Euro (Henze & Ketterer/ Schweiz). Zum Beispiel eine fast ein Meter hohe Alabaster-Skulptur von Herkules und Hippolyt, nunmehr dem Schwaben Leonhard Kern zugeschrieben, bekannt vor allem als Buchsbaum- und Elfenbeinschnitzer des Barock. „Die größte Entdeckung, die ich je gemacht habe“, sagt Florian Eitle von der Kunsthandlung Böhler/Starnberg zu der (nach Giambologna) in sich gewundenen Arbeit aus einem Block (2,8 Millionen Euro).
Vielleicht aber ist zu Messebeginn ein anderes kapitales Werk in Museumshand gegangen: ein etwas zorniges Delacroix-Porträt aus der Hand von Gericault, just zum Zeitpunkt angefertigt, da Gericault an seinem weltberühmten Medusa-Bild arbeitete, für das Delacroix ja auch ein Modell abgab (um 1818). Jedenfalls ist das Mittelformat verkauft für „wenige Millionen“, wie es bei Baroni/London heißt. Dort hängt auch die ausdrucksstarke, charaktervolle Zeichnung eines bärtigen Mannes von Hans Baldung Grien, geprüft und für echt befunden von dem aus Nördlingen stammenden Kunsthistoriker Christof Metzger (heute Albertina Wien). Ebenfalls verkauft.
Manchmal hat der KunstmarktBeobachter Glück – und begegnet einer Arbeit, die unlängst an anderer Stelle mit Preisangabe im wahren Sinn des Wortes „losgeschlagen“wurde. 2016 versteigerte Ketterer in München Emil Noldes dramatisch rot glühendes Meeres-Aquarell „Brandung“(1937). Jetzt hängt es in Maastricht. Kostenpunkt: 230000 Euro bei Utermann/Dortmund. Versteigert worden war es für 125000 Euro. So viel zum Thema Entwicklung. Wobei aber auch gilt: Die Messe-Standpreise sind exorbitant hoch.
Wer ist der „Blumen Raffael“?