Jeder Spieler ist ein Falschspieler
In Afrika ist alles möglich: Abenteuerroman und literarischer Fiebertraum
Feindbildern, das Erleben einer Landschaft und Kultur als Verstörung – so hatte Denis Johnson in seinem 2007 mit dem National Book Award ausgezeichneten Epos „Ein gerader Rauch“den Vietnamkrieg beschrieben. Der fast 1000 Seiten starke Roman war ein literarischer Fiebertraum. Sprachmächtig schreibt Johnson auch in seinem neuen, schmaleren Roman. Aber dieser Abenteuertrip seiner Protagonisten kommt viel überdrehter daher, ist angetrieben von Dialogen und scheint hie und da ins Surreale und Groteske abzudriften. „Die leuchtenden Ungeheuer“nimmt schnell Fahrt auf, Johnson schickt seine Hauptfigur Roland Nair als Ich-Erzähler mit dem Speedboot auf die Reise ins Herz der Finsternis – und als Leser verliert man schon einmal die Orientierung, auch wenn Nair in Mails an seine Freundin Tina, die bei der Nato in Brüssel arbeitet, immer wieder Zwischenberichte schickt. „Ich schaute zur Seite, hielt meine Augen von der Zukunft abgewandt“, bemerkt Nair einmal, als Michael mit ihm im Jeep über Sandpisten braust, bis sie „in der schwarzen Finsternis“stranden.
Zivilisation und archaische Natur liegen in diesem Afrika nah beieinander. Johnson schildert nicht ohne bittere Ironie die Invasionstruppen der internationalen Hilfsorganisationen in ihren protzigen weißen Geländewagen, die in ihrer eigenen Welt leben, eigene Kommunikationskanäle und Fluglinien betreiben und sich verschanzen im dekadenten Luxus ihrer Hotels und Quartiere. Einen stärkeren Eindruck als die Action-Passagen, die sich mitunter wie die Kolportage von Spionageromanen lesen, hinterlassen Johnsons lakonische, reportagehaften Beschreibungen der afrikanischen Wirklichkeit. „Ich wachte davon auf, dass jemand mit einem kleinen Besen tote Eintagsfliegen vom Gehweg unter meinem Balkon fegte.“– „Nichts mehr zu hören jetzt außer dem Geräusch meines Atems und den Gebeten dreier kleiner Ventilatoren.“
„Die lachenden Ungeheuer“ist auch der Roman einer gegenseitigen Abhängigkeit, einer fragilen wie intensiven Männerfreundschaft zwischen dem Afrikaner Adriko, der angeblich ein Kind aus dem Clan des ugandischen Despoten Idi Amin ist, und dem Europäer Nair. Der sagt: „Ich will nur leben. Allein kriege ich es nicht hin. Ich habe alle Zutaten, aber ich brauche einen Hexenmeister, der im Kessel rührt. Ich brauche Michael.“Michael Schreiner