Der Alltag der Macht
Tipp des Tages Dokumentation: Stefan Lamby zeigt die Verbindung von Politik und Medien
ARD, 22.45 Uhr Mit einem „Plopp“fällt die Tür der gepanzerten Limousine zu. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fährt zu einem Termin. Er greift in eine Plastikdose mit Süßigkeiten, steckt sich ein Weingummi in den Mund. Vielleicht hätte er noch ein zweites oder drittes genommen, wäre da nicht die Kamera auf dem Beifahrersitz.
Diese Szene ist vielleicht der menschlichste Moment in „Nervöse Republik“, einem 90-minütigen Dokumentarfilm über die hektische und eher steril wirkende Welt der Bundespolitiker und Politik-Journalisten. Der Film von Stefan Lamby, den das Erste ausstrahlt, taucht ein in einen Berufsalltag der eng getakteten Termine.
Was heute wichtig ist, interessiert allerdings in der nächsten Woche oft schon niemanden mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird von „Wutbürgern“angepöbelt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) schallt ein mehrstimmiges „Hau ab“entgegen. Ein Verteidiger der „Willkommenskultur“wirft der Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, eine Torte mitten ins Gesicht. Das Auto von AfD-Chefin Frauke Petry brennt.
Es ist 2016, ein Jahr, in dem Flüchtlinge, Terroranschläge, der Brexit, die Suche der SPD nach dem richtigen Kanzlerkandidaten und die Erfolge der AfD bei mehreren Landtagswahlen alte Gewissheiten erschüttern. Die Kamera kommt den Protagonisten dieses Films sehr nahe. Man sieht Zungen, die nervös die Lippen benetzen, und Augen, die nicht mitspielen wollen, wenn sich der Mund zu einem gekünstelten Lächeln verzieht.