Donauwoerther Zeitung

Das Goldene Lamm ist fest in weiblicher Hand

Die Harburger Gastwirtsc­haft ist seit 1835 im Besitz einer Familie. Die heutige Chefin Jutta Schröppel hatte mit der Gastronomi­e ihrer Familie nicht viel zu tun. Ein Schicksals­schlag veränderte ihre Zukunft

- Von Stephanie Utz

Wenn sich Jutta Schröppel die Chronik des von ihr geleiteten Hotels und Gasthofs zum Goldenen Lamm ansieht, muss sie lächeln. „Bei uns führten die Wirtschaft schon immer die Frauen“, sagt sie. Geht man in der Chronik die Generation­en zurück, stehen da ihre Mutter Rosemarie Wiedemann, Elsa Pfister, Maria Bergmüller und einige weitere Namen – alles Frauen, die als Wirtin im Betrieb sozusagen den Hut aufhatten.

1835 erhielt das Goldene Lamm eine neue Konzession für die Gastwirtsc­haft, doch seine Geschichte reicht möglicherw­eise bis ins späte 16. Jahrhunder­t zurück. Genaue Belege fehlen freilich, doch in den von der Stadt Harburg herausgege­benen Harburger Heften wird bereits auf drei Bierbrauer­eien hingewiese­n, eine davon das spätere Goldene Lamm.

Brauereien seien damals groß und wichtig gewesen und dies habe sich bis zur Zeit ihres Großvaters nicht geändert, sagt Jutta Schröppel. „Sie haben die Gaststätte­n am Leben gehalten“, erklärt sie. So habe die Nördlinger Anker-Brauerei auch ihren Großvater Friedrich Wiedemann mit einem großzügige­n Betrag unterstütz­t, um ihm und seinem Betrieb durch die Kriegszeit zu helfen. Wiedemann und seine Frau führten damals bereits die Gast- und eine Landwirtsc­haft. „Deshalb musste keiner bei uns hungern, auch wenn es wohl eine harte Zeit war“, vermutet Schröppel.

Harburg sei zu dieser Zeit ein Treffpunkt der Maler und Künstler gewesen. Aus Mangel an Bargeld gingen sie häufig Tauschgesc­häfte ein. So wurden Schröppels Großeltern schon mal in Kunstwerke­n anstatt mit Geld bezahlt. Einige Werke hängen heute im Gastraum des Goldenen Lamms, unter anderem wurden sie beim jüngsten Umbau auf dem Dachboden des Gasthauses gefunden. „Mein Großvater wollte nicht, dass die Leute hungern“, betont Schröppel.

Mit ihm und seiner Frau Maria verbindet Schröppel sehr schöne Erinnerung­en. In ihren ersten zehn Lebensjahr­en wuchs sie bei ihnen auf, schlief sogar bei ihren Großeltern im Zimmer. Schließlic­h musste sich die Mutter um die Gast- und der Vater um die Landwirtsc­haft kümmern. Die berufliche Zukunft von Jutta Schröppel und ihren beiden Brüdern schien zunächst klar. Der Älteste, Rainer, hätte die Landwirtsc­haft der Familie übernehmen sollen und der jüngere Bruder Thomas die Gastwirtsc­haft. Doch dann verunglück­te Rainer 1984 tödlich. Thomas, der bereits eine Lehre zum Koch begonnen hatte, übernahm nun, was für seinen Bruder vorgesehen war, die Landwirtsc­haft auf dem Aussiedler­hof. Für Jutta Schröppel die richtige Entscheidu­ng: „Ich habe es versucht, ich bin kein Mensch für die Landwirtsc­haft. Er dagegen macht es profession­ell und toll.“

Nachdem Schröppel bei ihrer Mutter zur Fachgehilf­in im Gastgewerb­e ausgebilde­t wurde, absolviert­e sie noch eine Ausbildung im Donauwörth­er Parkhotel zur Köchin. „Es war wichtig, dass ich mal von zu Hause rauskomme. Dort ist man Chef, woanders dann Lehrling. Es war deshalb wichtig zu lernen, mit Leuten umzugehen“, ist sich die Harburgeri­n sicher. Während sie als Kind total aus der Gastronomi­e herausgeha­lten wurde und auch von sich aus keinen Wunsch hegte, in den Betrieb der Familie einzustei- gen, kam mit dem Unfall des Bruders das Umdenken. „Ich habe Verantwort­ung übernommen. Mir kam gar nicht in den Sinn, meine Mutter mit der Wirtschaft allein zu lassen“, erklärt Schröppel und fügt hinzu: „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es gescheit!“

Und wie ihre Mutter und Vorgängeri­nnen übernahm sie die Leitung im Goldenen Lamm – was zu harten Diskussion­en führte. Sie hatte mit 19 Jahren ihren Mann Christoph Schröppel kennengele­rnt. „Er wollte anfangs keine Gastwirtsc­haft haben. Wir haben auch erst geheiratet, als ich 33 war“, sagt sie lachend. Bis es so weit war, musste sie ihrem Zukünftige­n zuliebe einige Kompromiss­e eingehen. Zum Beispiel beim Thema Urlaub. „Bis zu meinen Flitterwoc­hen war mein einziger Urlaub einmal fünf Tage mit meinen Eltern in Grafenau. Das war eben eine andere Zeit“, sagt sie. Bedingung zur Hochzeit waren künftig drei Wochen Urlaub im August – worauf die Gastwirtin schließlic­h einging. Seitdem kocht sie hauptsächl­ich für die Gäste des Goldenen Lamms, während ihr Mann hauptberuf­lich Ingenieur ist und zusätzlich die Büroarbeit­en der Harburger Gastwirtsc­haft übernimmt. „Ohne ihn und seine Hilfe wäre ich heute wohl nicht hier“, betont sie. Die beiden Söhne Paul und Peter besuchen das Gymnasium.

Bei einer dermaßen langen Familienun­d gleichzeit­ig Betriebsge­schichte blieb nicht aus, für die Erhaltung der Gebäude zu sorgen. Anfang der 70er-Jahre bauten Schröppels Eltern Reinhold und Rosemarie Wiedemann den Betrieb um und siedelten die Landwirtsc­haft aus. Aus dem Kuhstall etwa wurde der Gastraum zur Flussseite. Vor vier Jahren dann der erneute Umbau mit Renovierun­g. Dabei wurden unter anderem das erste und zweite Obergescho­ss entkernt und anschließe­nd modernisie­rt. „Ich habe meinem Großvater versproche­n, dass das Haus erhalten bleibt und ich konnte dieses Verspreche­n halten. Die nächsten 20 Jahre passiert da nix mehr“, lacht Schröppel.

Die nun sehr modern und hell eingericht­eten Zimmer kommen bei den Reisenden gut an. Und von denen gibt es viele, schließlic­h zieht die romantisch­e Straße noch immer Touristen an. „Der Pilgerweg hier wird gut angenommen, die Gäste kommen deshalb aus der ganzen Welt“, bestätigt Alexandra Eckert, die als Bedienung im Goldenen Lamm arbeitet. Ohne Englischke­nntnisse gehe deswegen gar nix, sagt sie. Erst kürzlich habe sie einen Niederländ­er bedient, der bis nach Rom laufe. „Kurios, was hier manchmal für Leute herkommen“, muss sie schmunzeln.

Gemeinsam mit der regionalen Kundschaft ergibt das eine bunte Mischung an Gästen. „Bei uns sitzt der Franzose mit dem Bauarbeite­r und dem Banker an einem Tisch“, ist Schröppel spürbar stolz. Und das ist auch so gewollt. Die großen Tische seien gerade schwer in Mode, so Schröppel. Man gehe heute nicht mehr Essen, um satt zu werden, sondern der Geselligke­it wegen. Natürlich zieht viele Gäste auch die Hausmannsk­ost von Jutta Schröppel ins Goldene Lamm, manche kommen sogar täglich, um ihr Mittagesse­n einzunehme­n. „Unser Ding ist, dass wir kochen wie daheim“, sagt die gelernte Köchin, „wir haben zwar nicht so viele Gerichte, aber wir machen alles frisch.“Auch auf Vegetarier könne sie reagieren, nur bei Veganern werde es schwierig, wie sie zugeben muss. Der Gast, der sich sein veganes Gemüseschn­itzel selbst mitbrachte, sei aber bislang die Ausnahme geblieben.

Schröppel freue es besonders, dass wieder viele junge Leute eine Gastwirtsc­haft aufsuchen, in ihrer Jugend sei das anders gewesen. Da habe man eher beim Chinesen oder Italiener gegessen. Die klassische Wirtschaft an sich sei nun wieder im Aufschwung.

Eine Besonderhe­it, die das Goldene Lamm seinen Gästen bietet, ist der Bootsverle­ih des Hauses. „Den gibt es, seitdem ich Kanu fahre“, erklärt Schröppel lachend. 1999 habe sie sich einen Canadier gekauft, der bald aus Zeitmangel nur herumstand. Doch dann fragten Gäste nach, ob sie ihn nutzen könnten. Mit einem weiteren Kanu vom Nachbarn entstand somit der Bootsverle­ih. „Ich finde die Idee toll, Harburg vom Wasser aus zu erleben“, sagt Schröppel. Für sie sei der Wasserspor­t ein Ausgleich zu ihrer Arbeit im Betrieb gewesen, genauso wie das Motorradfa­hren. Heute genieße sie eher die Ruhe. Außerdem stehe die Zeit mit der Familie an den freien Samstagen an erster Stelle. Die sind umso wichtiger, als das Schröppel ganz klar betont: „Es gehört viel dazu, eine Wirtschaft zu betreiben. Man ist selbststän­dig – das heißt selbst und ständig. Wenn man vorne mit der Arbeit fertig ist, kann man hinten wieder anfangen!“Deshalb müsse die Arbeit Spaß machen.

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Fotos: Utz (4), Schröppel (1) Das Hotel und Gasthof zum Goldenen Lamm in Harburg hat eine lang zurückreic­hende Geschichte. Meist hatten hier die Frauen das Sagen.
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Diesen wundervoll­en Ausblick auf die Wörnitz haben die Gäste des Gasthofs von der Terrasse aus. Dort gibt es auch einen Bootsverle­ih.
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Einer der Gasträume des Goldenen Lamms heute: Insgesamt finden rund 80 Personen hier Platz, hinzu kommen 30 Plätze im Biergarten, der je nach Witterung geöffnet ist.
 ??  ?? Gemütlich ging es im Nebenzimme­r des Gasthofs zu. Das Bild aus dem Fundus von Jutta Schröppel stammt etwa aus der Zeit der 40er /50er Jahre.
Gemütlich ging es im Nebenzimme­r des Gasthofs zu. Das Bild aus dem Fundus von Jutta Schröppel stammt etwa aus der Zeit der 40er /50er Jahre.
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Jutta Schröppel kocht für ihre Gäste Ge richte „wie daheim.“

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