Das Goldene Lamm ist fest in weiblicher Hand
Die Harburger Gastwirtschaft ist seit 1835 im Besitz einer Familie. Die heutige Chefin Jutta Schröppel hatte mit der Gastronomie ihrer Familie nicht viel zu tun. Ein Schicksalsschlag veränderte ihre Zukunft
Wenn sich Jutta Schröppel die Chronik des von ihr geleiteten Hotels und Gasthofs zum Goldenen Lamm ansieht, muss sie lächeln. „Bei uns führten die Wirtschaft schon immer die Frauen“, sagt sie. Geht man in der Chronik die Generationen zurück, stehen da ihre Mutter Rosemarie Wiedemann, Elsa Pfister, Maria Bergmüller und einige weitere Namen – alles Frauen, die als Wirtin im Betrieb sozusagen den Hut aufhatten.
1835 erhielt das Goldene Lamm eine neue Konzession für die Gastwirtschaft, doch seine Geschichte reicht möglicherweise bis ins späte 16. Jahrhundert zurück. Genaue Belege fehlen freilich, doch in den von der Stadt Harburg herausgegebenen Harburger Heften wird bereits auf drei Bierbrauereien hingewiesen, eine davon das spätere Goldene Lamm.
Brauereien seien damals groß und wichtig gewesen und dies habe sich bis zur Zeit ihres Großvaters nicht geändert, sagt Jutta Schröppel. „Sie haben die Gaststätten am Leben gehalten“, erklärt sie. So habe die Nördlinger Anker-Brauerei auch ihren Großvater Friedrich Wiedemann mit einem großzügigen Betrag unterstützt, um ihm und seinem Betrieb durch die Kriegszeit zu helfen. Wiedemann und seine Frau führten damals bereits die Gast- und eine Landwirtschaft. „Deshalb musste keiner bei uns hungern, auch wenn es wohl eine harte Zeit war“, vermutet Schröppel.
Harburg sei zu dieser Zeit ein Treffpunkt der Maler und Künstler gewesen. Aus Mangel an Bargeld gingen sie häufig Tauschgeschäfte ein. So wurden Schröppels Großeltern schon mal in Kunstwerken anstatt mit Geld bezahlt. Einige Werke hängen heute im Gastraum des Goldenen Lamms, unter anderem wurden sie beim jüngsten Umbau auf dem Dachboden des Gasthauses gefunden. „Mein Großvater wollte nicht, dass die Leute hungern“, betont Schröppel.
Mit ihm und seiner Frau Maria verbindet Schröppel sehr schöne Erinnerungen. In ihren ersten zehn Lebensjahren wuchs sie bei ihnen auf, schlief sogar bei ihren Großeltern im Zimmer. Schließlich musste sich die Mutter um die Gast- und der Vater um die Landwirtschaft kümmern. Die berufliche Zukunft von Jutta Schröppel und ihren beiden Brüdern schien zunächst klar. Der Älteste, Rainer, hätte die Landwirtschaft der Familie übernehmen sollen und der jüngere Bruder Thomas die Gastwirtschaft. Doch dann verunglückte Rainer 1984 tödlich. Thomas, der bereits eine Lehre zum Koch begonnen hatte, übernahm nun, was für seinen Bruder vorgesehen war, die Landwirtschaft auf dem Aussiedlerhof. Für Jutta Schröppel die richtige Entscheidung: „Ich habe es versucht, ich bin kein Mensch für die Landwirtschaft. Er dagegen macht es professionell und toll.“
Nachdem Schröppel bei ihrer Mutter zur Fachgehilfin im Gastgewerbe ausgebildet wurde, absolvierte sie noch eine Ausbildung im Donauwörther Parkhotel zur Köchin. „Es war wichtig, dass ich mal von zu Hause rauskomme. Dort ist man Chef, woanders dann Lehrling. Es war deshalb wichtig zu lernen, mit Leuten umzugehen“, ist sich die Harburgerin sicher. Während sie als Kind total aus der Gastronomie herausgehalten wurde und auch von sich aus keinen Wunsch hegte, in den Betrieb der Familie einzustei- gen, kam mit dem Unfall des Bruders das Umdenken. „Ich habe Verantwortung übernommen. Mir kam gar nicht in den Sinn, meine Mutter mit der Wirtschaft allein zu lassen“, erklärt Schröppel und fügt hinzu: „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es gescheit!“
Und wie ihre Mutter und Vorgängerinnen übernahm sie die Leitung im Goldenen Lamm – was zu harten Diskussionen führte. Sie hatte mit 19 Jahren ihren Mann Christoph Schröppel kennengelernt. „Er wollte anfangs keine Gastwirtschaft haben. Wir haben auch erst geheiratet, als ich 33 war“, sagt sie lachend. Bis es so weit war, musste sie ihrem Zukünftigen zuliebe einige Kompromisse eingehen. Zum Beispiel beim Thema Urlaub. „Bis zu meinen Flitterwochen war mein einziger Urlaub einmal fünf Tage mit meinen Eltern in Grafenau. Das war eben eine andere Zeit“, sagt sie. Bedingung zur Hochzeit waren künftig drei Wochen Urlaub im August – worauf die Gastwirtin schließlich einging. Seitdem kocht sie hauptsächlich für die Gäste des Goldenen Lamms, während ihr Mann hauptberuflich Ingenieur ist und zusätzlich die Büroarbeiten der Harburger Gastwirtschaft übernimmt. „Ohne ihn und seine Hilfe wäre ich heute wohl nicht hier“, betont sie. Die beiden Söhne Paul und Peter besuchen das Gymnasium.
Bei einer dermaßen langen Familienund gleichzeitig Betriebsgeschichte blieb nicht aus, für die Erhaltung der Gebäude zu sorgen. Anfang der 70er-Jahre bauten Schröppels Eltern Reinhold und Rosemarie Wiedemann den Betrieb um und siedelten die Landwirtschaft aus. Aus dem Kuhstall etwa wurde der Gastraum zur Flussseite. Vor vier Jahren dann der erneute Umbau mit Renovierung. Dabei wurden unter anderem das erste und zweite Obergeschoss entkernt und anschließend modernisiert. „Ich habe meinem Großvater versprochen, dass das Haus erhalten bleibt und ich konnte dieses Versprechen halten. Die nächsten 20 Jahre passiert da nix mehr“, lacht Schröppel.
Die nun sehr modern und hell eingerichteten Zimmer kommen bei den Reisenden gut an. Und von denen gibt es viele, schließlich zieht die romantische Straße noch immer Touristen an. „Der Pilgerweg hier wird gut angenommen, die Gäste kommen deshalb aus der ganzen Welt“, bestätigt Alexandra Eckert, die als Bedienung im Goldenen Lamm arbeitet. Ohne Englischkenntnisse gehe deswegen gar nix, sagt sie. Erst kürzlich habe sie einen Niederländer bedient, der bis nach Rom laufe. „Kurios, was hier manchmal für Leute herkommen“, muss sie schmunzeln.
Gemeinsam mit der regionalen Kundschaft ergibt das eine bunte Mischung an Gästen. „Bei uns sitzt der Franzose mit dem Bauarbeiter und dem Banker an einem Tisch“, ist Schröppel spürbar stolz. Und das ist auch so gewollt. Die großen Tische seien gerade schwer in Mode, so Schröppel. Man gehe heute nicht mehr Essen, um satt zu werden, sondern der Geselligkeit wegen. Natürlich zieht viele Gäste auch die Hausmannskost von Jutta Schröppel ins Goldene Lamm, manche kommen sogar täglich, um ihr Mittagessen einzunehmen. „Unser Ding ist, dass wir kochen wie daheim“, sagt die gelernte Köchin, „wir haben zwar nicht so viele Gerichte, aber wir machen alles frisch.“Auch auf Vegetarier könne sie reagieren, nur bei Veganern werde es schwierig, wie sie zugeben muss. Der Gast, der sich sein veganes Gemüseschnitzel selbst mitbrachte, sei aber bislang die Ausnahme geblieben.
Schröppel freue es besonders, dass wieder viele junge Leute eine Gastwirtschaft aufsuchen, in ihrer Jugend sei das anders gewesen. Da habe man eher beim Chinesen oder Italiener gegessen. Die klassische Wirtschaft an sich sei nun wieder im Aufschwung.
Eine Besonderheit, die das Goldene Lamm seinen Gästen bietet, ist der Bootsverleih des Hauses. „Den gibt es, seitdem ich Kanu fahre“, erklärt Schröppel lachend. 1999 habe sie sich einen Canadier gekauft, der bald aus Zeitmangel nur herumstand. Doch dann fragten Gäste nach, ob sie ihn nutzen könnten. Mit einem weiteren Kanu vom Nachbarn entstand somit der Bootsverleih. „Ich finde die Idee toll, Harburg vom Wasser aus zu erleben“, sagt Schröppel. Für sie sei der Wassersport ein Ausgleich zu ihrer Arbeit im Betrieb gewesen, genauso wie das Motorradfahren. Heute genieße sie eher die Ruhe. Außerdem stehe die Zeit mit der Familie an den freien Samstagen an erster Stelle. Die sind umso wichtiger, als das Schröppel ganz klar betont: „Es gehört viel dazu, eine Wirtschaft zu betreiben. Man ist selbstständig – das heißt selbst und ständig. Wenn man vorne mit der Arbeit fertig ist, kann man hinten wieder anfangen!“Deshalb müsse die Arbeit Spaß machen.