Skelette rufen Archäologen auf den Plan
Ausgrabungen Im Kolping-Bildungszentrum stoßen Bauarbeiter auf menschliche Gebeine. Sie geben einige Rätsel auf
Donauwörth Jahrhunderte lang haben sie rund vier Meter tief im Erdreich gelegen – in ein Loch geworfen und dort verscharrt. Jetzt wurden die sterblichen Überreste von vier Menschen per Zufall gefunden. Bauarbeiter wollten im Zuge der Sanierung des Kolping-Bildungszentrums im Donauwörther Ried ein Loch für ein Betonfundament ausheben. Dabei stießen sie auf Schädel und Gebeine der vier Skelette. Und die geben den Archäologen einige Rätsel auf.
„Es handelt sich um kein offizielles Begräbnis“, so viel kann Manfred Woidich, der wissenschaftliche Leiter eines Harburger Archäologiebüros, schon nach dem ersten Augenschein anhand der Spuren vor Ort erkennen. Die Toten wurden nicht etwa nebeneinan
der aufge- bahrt, sondern achtlos aufeinander geworfen. „Es könnte sich also beispielsweise um die Opfer eines Verbrechens handeln, derer man sich entledigen wollte“, mutmaßt Woidich, „oder es sind etwa Tote, die an einer Seuche wie der Pest gestorben sind und rasch begraben werden mussten“. Zeitlich datiert er die Skelette nach dem ersten Eindruck auf „spätes Mittelalter bis Frühe Neuzeit“. Für ein würdeloses Verscharren sprechen auch weitere Umstände und Fundstücke. Die Archäologen haben nämlich auch alte Schlachtabfälle und Bauschutt an der Fundstelle im Ried entdeckt. Noch nicht bewerten können sie die unglasierten Keramikscherben, die sich ebenfalls im Erdreich befanden, wie auch einige kleine Perlen, die um den Arm eines Skeletts lagen. „Das könnte möglicherweise ein Schmuckstück sein“, glaubt Manfred Woidich, „oder aber eine Gebetskette wie etwa ein Rosen- kranz“. In jedem Fall aber bleibt für ihn nur die Schlussfolgerung einer Sonderbestattung: „In dieser Grube wurde niemand regulär beerdigt.“
Die Pesttheorie scheint auch für Kreisheimatpfleger Erich Bäcker denkbar. Schließlich hatte es Mitte des 14. Jahrhunderts eine erste europaweite Pandemiewelle gegeben, Anfang des 15. Jahrhunderts eine zweite kleinere.
Allerdings hat Bäcker die Gebeine bisher nicht gesehen und auch von der Gesamtsituation noch keinen Eindruck, deshalb kann er zum jetzigen Zeitpunkt keine näheren Erklärungen abgeben.
Im Ried lebten Fischer, Fährleute und Schiffsbauer
Was genau sich im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit auf dem Grundstück des heutigen KolpingBildungszentrums befunden hat, kann nach Bäckers Auskunft niemand genau sagen. „Das Ried war nie eine Keimzelle der Stadt“, schildert der Kreisheimatpfleger. „Es war eine Siedlung von Fischern, Fährleuten und auch Schiffsbauern – teilweise sehr angesehenen Leuten.“
Die sterblichen Überreste der vier Verscharrten sind jetzt nahezu vollständig geborgen und werden nach ihrer Reinigung an die Außenstelle des Landesdenkmalamts im ehemaligen Kloster Thierhaupten gebracht. Dort werden sie weiter gesichtet, vor allem aber inventarisiert und aufbewahrt, ehe sie dann zu einem späteren Zeitpunkt zur anthropologischen Staatssammlung nach München kommen, wo sämtliche landesweiten Knochenfunde dieser Art aufbewahrt werden. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt eine tiefergehende Untersuchung geben wird, hängt davon ab, ob Gelder für ein entsprechendes Forschungsprojekt zur Verfügung stehen. Alle weiteren der Donauwörther Fundstücke werden in der prähistorischen Staatssammlung asserviert.