Zwei Wochen bei Mama, zwei Wochen bei Papa
Familie Immer mehr Kinder leben nach der Trennung ihrer Eltern abwechselnd bei der Mutter und dem Vater. Warum das so ist und weshalb das sogenannte Wechselmodell Tücken birgt, erklären Experten und geben Tipps
Eine Woche alleinerziehender Vater zweier Söhne, eine Woche alleinstehender Mann. Seit fast vier Jahren lebt Frank S. in diesem Rhythmus. 2013 hatten er und seine Frau sich getrennt, vier und sechs Jahre alt waren die Kinder da. „Meine große Sorge war, dass ich sie zu wenig sehe“, sagt Frank S. Ein Bekannter habe sich damals auch getrennt und seine Kinder nur noch jedes zweite Wochenende gesehen – wie nach dem klassischen Residenzmodell üblich. „Mir war aber sehr wichtig, weiter an ihrem Alltag teilhaben zu können“, sagt der Vater.
Über Freunde erfuhr er vom sogenannten Wechselmodell, bei dem Kinder nach einer Trennung ihrer Eltern in beiden Haushalten zeitlich annähernd gleichwertig betreut werden. „Am Anfang waren beide Kinder in wöchentlichem Wechsel mal bei mir und mal bei der Mutter“, erzählt Frank S. Später kam die Idee auf, die Kinder auch mal aufzuteilen, um ihnen einzeln besser gerecht werden zu können. „Damit wurde es dann wirklich ein bisschen kompliziert“, sagt Frank. Trotz vorab erstellter Wochenpläne sei nicht immer alles reibungslos gelaufen – bis heute. „Wir wohnen zum Glück beide weiter in derselben Kleinstadt, sonst würde das gar nicht funktionieren.“
Nah beieinander liegende Wohnungen von Vater und Mutter seien eine wichtige Voraussetzung für das Wechselmodell, schon wegen Schule oder Kita, sagt der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger, der seit 30 Jahren Paaren und bereits Getrennten hilft. Wichtig sei zudem die Fähigkeit der Eltern, alle Kränkung und Wut runterschlucken zu können. „Sie müssen sich verstehen und kooperieren, und wenn es auch allein zugunsten der Kinder ist“, betont der Paartherapeut. „Diese Einstellung ist das Entscheidende.“
Künftig allerdings dürften Trennungskinder auch ohne derlei Einigkeit ihrer Eltern häufiger gleichverteilt bei Mama und Papa leben: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Februar spricht prinzipiell nichts dagegen, dass Familiengerichte ein solches Wechselmodell anordnen – auch gegen den Willen eines Ex-Partners. Voraussetzung sei, dass die geteilte Betreuung dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Entscheidend ist dem Beschluss zufolge die Aussage des Kindes, wie es selbst gerne leben möchte – je älter es sei, desto wichtiger würden diese Wünsche. Ein Gericht muss also immer das Kind persönlich anhören.
„Bisher spielt das Wechselmodell in Deutschland noch keine große Rolle“, sagt Miriam Hoheisel vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Krüger ist jedoch überzeugt: Der Trend geht langfristig klar zum Wechselmodell und gleichberechtigter Kinderbetreuung. Väter forderten nach einer Trennung stärker gemeinsame Zeit mit ihren Kindern ein, so wie sie sich inzwischen generell mehr um ihre Kinder kümmerten. „Im Grunde ist das ja eine klasse Entwicklung“, sagt Krüger.
Für sehr kleine Kinder bis etwa drei Jahre sei das Wechselmodell eher nicht zu empfehlen, betont Miriam Hoheisel. „Mit dem Hin und Her ist es schwer für sie, eine verlässliche Bindung aufzubauen.“Für größere Kinder lasse sich keine pauschale Aussage treffen. „Entscheidend ist: Wie haben es die Eltern vor der Trennung gehalten – gab es eine primäre Bezugsperson oder zwei gleichwertige?“Immer wieder gebe Fälle, in denen das Kind in Machtkämpfen der Eltern aus dem Blick gerate. „Es geht nicht darum, das Kind gerecht zwischen den Eltern aufzuteilen, sondern um sein Wohl“, betont Hoheisel. „Es bedeutet viel zusätzlichen Stress für ein Kind, wenn das gewohnte Betreuungsprinzip verändert wird.“
Eine positive Folge der wachsenden Zahl an Scheidungen in den vergangenen 20 Jahren sei, dass Trennungen normaler würden, erklärt Krüger. „Früher war ein Verlassener unendlich gekränkt für sehr lange. Das hat sich geändert.“Die Zahl der Eltern, die halbwegs gut miteinander reden könnten, steige. Generell gelte aber weiter: „Jede Form von Trennung ist ein Weltuntergang – selbst wenn die Beziehung schlecht war.“Die veränderte gesellschaftliche Bewertung bedeute nicht, dass eine Trennung auf persönlicher Ebene leichter falle, ist Hoheisel überzeugt. „Die Bereitschaft, sich beraten und helfen zu lassen, ist aber größer geworden.“
Gerade beim Wechselmodell sei es entscheidend, gut kommunizieren zu können. „Wofür muss das Kind lernen, steht ein Arzttermin an, was gab’s beim Elternabend?“Klar müsse zudem sein, dass ein Wechselmodell erheblichen finanziellen Aufwand bedeutet. Zwei Haushalte, jeweils mit Kinderzimes mer, Kleidung und Spielzeug. „Das müssen sich Eltern erst mal leisten können“, sagt Hoheisel. „Das Wechselmodell ist ein anspruchsvolles Modell, für die Eltern und für die Kinder. Als Regelfall ist es nicht geeignet.“
Die Abstimmung mit seiner ExFrau sei auch fast vier Jahre nach der Trennung relativ schwierig, sagt Frank S. „Wir kommunizieren hauptsächlich per Mail.“Vom Wechselmodell abzurücken, kam für ihn aber nie infrage. Statt der Wochenpläne anfangs gebe es inzwischen einen Jahresplan. „Damit ist für alle Feiertage und die Ferienzeiten klar, wo die Kinder jeweils sind und man kann gut planen.“Probleme und Reibereien gebe es weiter. Aber: „Am Ende sind wir uns immer einig geworden.“
Häufig lebe ein Kind beim Wechselmodell 14 Tage bei der Mutter und 14 Tage beim Vater, erklärt Krüger. „Der Vorteil ist: Die Kinder kommen wirklich an.“Es gebe aber gerade bei kleineren Kindern
Ein Leben, zwei Zimmer Gute Kommunikation der Eltern ist entscheidend
jedes Mal wieder ein Fremdeln zum Ende der jeweiligen Elternphase. „Das ist ein ganz typischer Bewältigungsmechanismus.“Jugendliche seilten sich emotional stärker ab. „Sie reagieren mit einer Verlagerung des inneren Schwerpunkts in Richtung Freunde.“Die Trennung verstärke einen ohnehin anstehenden Effekt. „Sie werden schlichtweg früher erwachsen.“
Vermehrt werde beim Wechselmodell ein neuer Ansatz gewählt: ein Wechsel im Drei-Tage-Rhythmus mit abwechselnder Sonntagsbetreuung. „Wenn ein Kind von Montag bis Mittwoch immer bei der Mutter und von Donnerstag bis Samstag immer beim Vater ist, fallen wöchentliche Verpflichtungen wie Sport oder Klavierunterricht leichter“, erklärt Krüger. „Und das Kind hat viel weniger das Gefühl, mal in dieser und dann in jener Welt zu leben. Das ist der größte Vorteil.“
Schwierig werde es unabhängig vom Modell, wenn ein neuer Partner hinzukomme. „Da fängt Trennungsarbeit erst so richtig an.“Nicht nur mit dem oder der Ex könne es dann neue Konflikte geben. Kinder seien immer nur loyal gegenüber ihren Eltern, niemals gegenüber dem Neuling. „Automatisch geht mit einem neuen Partner Zuwendung fürs Kind verloren. Das akzeptieren Kinder nicht“, sagt Krüger. Es könne lange dauern, bis wieder eine einigermaßen erträgliche Situation erreicht sei.