„Ich bin für Überwachungskameras“
Interview Der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl ist neuer Chef des Bayerischen Städtetags. Wie er für Sicherheit, Wohnungen und saubere Luft in den Städten sorgen will. Und was er über sein Verhältnis zu Horst Seehofer sagt
Herr Gribl, Sie sind jetzt Chef des Bayerischen Städtetags. Viele sagen, die Städte wollen immer nur Geld. Ist das so? Kurt Gribl: Städte, Gemeinden und Landkreise werden immer darauf drängen, dass sie von Kosten entlastet werden. Da gilt immer das Prinzip der Konnexität, das heißt: Wenn wir staatliche Aufgaben übernehmen, dürfen wir nicht nur die Aufgaben erledigen, sondern müssen auch das Geld zur Umsetzung bekommen.
Da haben Sie offensichtlich eine gewisse Kunstfertigkeit. Sie haben es in den letzten Jahren geschafft, der Staatsregierung hunderte Millionen Euro für das Augsburger Theater, den Hauptbahnhof und die Uniklinik aus den Rippen zu leiern. Wie wollen Sie in den kommenden Jahren bei der Staatsregierung Geld für die Städte herausholen? Gribl: Die Staatsregierung weiß um die Bedeutung der Städte. Immerhin sind es gut 270 Städte und Kommunen, die im Bayerischen Städtetag vereinigt sind. Das sind umgerechnet rund 6,7 Millionen Menschen. Die haben natürlich politisches Gewicht.
Klingt fast wie eine Drohung … Gribl: Nein. Der Freistaat sieht da auch die Chance, einen Ansprechpartner zu haben mit Maß und Ziel, mit dem er zu Ergebnissen und Vereinbarungen kommen kann.
Sie sollen ja besonders gut mit Horst Seehofer auskommen. Hilft das? Gribl: Es ist sicherlich so, dass ich gut mit allen Beteiligten kann. Das ist nützlich, reicht allein aber nicht aus. Ich möchte in gleicher Weise arbeiten wie bisher. Das heißt, mit Konzepten, nicht bloß mit Forderungen. Wenn man gute Konzepte hat, erhält man Unterstützung. Dennoch darf man sich nichts vormachen: Man wird nie alles auf einmal bekommen. Es ist ein Geben und Nehmen.
Was geben die Städte denn dem Freistaat? Gribl: Es gibt keine Regierung ohne Volk. Und das Volk, die Menschen leben in den Städten und Gemeinden. Wenn ich sozialen Frieden haben will, dann brauche ich die untersten Strukturen. Das sind die Städte und Gemeinden.
Welchen Ton wollen Sie als Städtetags-Chef anschlagen? Gribl: Ich glaube, dass das Amt des Städtetags-Vorsitzenden einen Stil erfordert, der vermittelnd ist. Ich glaube nicht, dass man weiterkommt, wenn man nur poltert oder andere beschimpft und unter Druck setzt. So funktioniert Politik heute nicht. Es muss immer die Möglichkeit geben, Dinge mit Respekt und gesichtswahrend zu lösen. Doch wenn Situationen eintreten, mit denen ich nicht zufrieden bin, dann werde ich klar formulieren, dass ich nicht zufrieden bin.
Das Thema Wohnungsnot ist akut. Was können Sie da konkret bewirken? Gribl: Das Thema Wohnen spielt auf zwei Ebenen. Zum einen geht es darum, dass Wohnbau begünstigt wird, also um Wohnraumförderung. Wir müssen Anreize schaffen. Und mir ist die Eigentumsbildung wichtig. Die ist in Deutschland zu wenig ausgeprägt. Zudem sollten wir hinwirken dies ohne Kollateralschäden zu machen. Wenn wir bestimmte Bereiche der Stadt zusperren, dann erwischt es alle, und das ist unverhältnismäßig. Wir brauchen eine Kennzeichnungsmöglichkeit für Fahrzeuge, die nicht schädlich sind.
Die Fahrer von Euro-5-Norm-Dieseln und älteren Fahrzeugen dürften davon wenig begeistert sein … Gribl: Es ist ein Desaster für die Leute. In den letzten Jahren wurde noch dafür geworben, sich Diesel-Autos anzuschaffen. Aber ich kann an dem Umstand nichts ändern, dass sie die Ursache sind für die Stickstoffbelastung. Und diese Ursache muss man angehen. Das muss aber wohldurchdacht sein. Sonst kriegen wir einen Riesenaufstand – und zwar zu Recht. Wir müssen ja das öffentliche Leben aufrechterhalten und dürfen die Wirtschaft nicht schädigen. Denken Sie nur mal an die Diesel-Fahrzeuge im mittelständischen Handwerk.
Anderes Thema: Was können die Städte für die Sicherheit ihrer Bürger tun? Gribl: Wichtig ist ein gutes Zusammenwirken zwischen den Ordnungsbehörden und der Polizei. Zudem muss eine Stadt bei der Planung den Sicherheitsaspekt gleich mit berücksichtigen. Das spielt heute bei jedem Bebauungsplan eine Rolle. Es darf keine Ghettos geben. Vor Ort muss es Anlaufstellen geben, die für soziale Ausgewogenheit sorgen. Auf öffentlichen Plätzen brauchen wir „Law and Order“, aber auch den Kontakt zu konfliktträchtigen Gruppen, Stichwort Streetwork. Die Leute nur zu verjagen, hilft nichts.
Brauchen wir Überwachungskameras? Gribl: Ja, ich bin für Überwachungskameras. Ich kann es nicht verstehen, dass die Polizei, wenn es Probleme gibt, auf private Handyvideos zurückgreifen muss. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir Kameras nicht überall brauchen, sondern nur an schwierigen Plätzen.
Anderes großes Thema: Integration von Flüchtlingen. Was erwarten Sie vom Freistaat bezüglich der Kosten? Gribl: Zunächst erwarte ich vom Bund, dass die bestehende Regelung der Kostenübernahme für die Unterkunft der Flüchtlinge verlängert wird. Wir haben ja von der Bundeskanzlerin dieses Zugeständnis bekommen. Eine Verlängerung dieser Regelung hat sie bereits signalisiert. Vom Freistaat erwarten die Städte und Gemeinden, dass sie in der Integrationsarbeit unterstützt werden und dass der Freistaat die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel ungekürzt weitergibt.
Sie könnten nun sechs Jahre an der Spitze des Städtetags stehen. Wie sieht es mit Ambitionen aus, ein Ministeramt in München zu übernehmen? Gribl: Ich werde jetzt zur Wahl antreten als Vorsitzender für den Bayerischen Städtetag, daran können Sie sehen, dass ich auf nichts anderes spekuliere. Ich glaube, dass sich das Amt des Oberbürgermeisters und das des Städtetags-Vorsitzenden wunderbar ergänzen, um möglichst viel zu erreichen. Für die Städte insgesamt und auch für meine Stadt Augsburg.
Interview: Holger Sabinsky-Wolf