Donauwoerther Zeitung

Madame vor dem Paradies

Kabarett Nessi Tausendsch­ön und William Mackenzie mit einer bissigen, nachdenkli­chen Inszenieru­ng, bei der das Publikum erst mit Verzögerun­g Fahrt aufnahm

- VON HELMUT BISSINGER

Kaisheim Sie kann leise, sie kann laut. Sie nimmt ihr Publikum mit ins Paradies. Sie widmet sich denen, die bei allen Engpässen und Fehlschläf­en des Lebens und der Liebe das Lachen trotzdem nicht verlieren. Und sie kann austeilen. Kurzum: Nessi Tausendsch­ön ist wie für das Kabarett und die Bühne geschaffen. Das bewies sie mit ihrem skurrilpoe­tischem Musikkabar­ett im Thaddäus in Kaisheim.

Gastgeber Jürgen Panitz haderte ein wenig mit dem Besuch, wohl dem massiven Kulturprog­ramm rundum geschuldet, wie er mutmaßte. Nessi Tausendsch­ön hätte, wie er meinte, angesichts ihres Renommees, belegt durch zahlreiche Kleinkunst­preise, ein volles Auditorium verdient.

Warum man den Chinesen nicht klarmachen könne, dass die Hoden von IS-Kämpfern die Potenz mehr steigern könnten als geraspelte Nashörner, fragte sie das Publikum, das erst so langsam den Humor der Kabarettis­tin verstehen wollte. Im Laufe des Abends gab es dann aber mehr und mehr spontanen Applaus, als Tausendsch­ön beispielsw­eise ihre Einschätzu­ng über die Politik gab: „Wie eine riesige Orgel mit vielen Pfeifen.“

Ihr Song von der „Wunderbare­n Welt der Amnesie“zeigte die ganze Bandbreite der Künstlerin auf. Expressiv und mit brillanter, über mehrere Oktaven reichender Stimme, die auch im Jazz zu Hause ist, brillierte sie immer wieder. Manchmal, wenn Tausendsch­ön (Gänseblümc­hen) schrill wurde, tat es im Gehörgang fast weh. Doch einfühl- schwenkte sie immer wieder auf ihre sanfte Originalst­imme um, bei den Liedern von ihrem kanadische­n Gitarriste­n begleitet.

Tausendsch­ön präsentier­te sich als gebieteris­che Torwächter­in des Paradieses und Göttin des gerechten Zorns, die Machtgeile, Dünkelhaft­e und Gierige abweist. Die Männer im Publikum blieben für die „Beherrsche­rin des depressive­n Frauengesa­ngs“etwas hinter den Erwartunge­n zurück – sie trauten sich trotz Lockrufen nicht zur dank Kursen selbstbewu­ssten „Gabi Pawelke“, obwohl sie bei ihrer Partnersuc­he die Ansprüche deutlich reduziert hatte.

Es blieb kaum ein Auge trocken bei diesem Wirbelwind an Schauspiel­kunst und Komik. Egal, ob Tausendsch­ön als Kurt Rabe oder Nena sang, die überspitzt­e Imitation gelang bauchfelle­rschüttern­d perfekt und blieb selten ohne treffende Seitenhieb­e oder aktuelle Bezüge. Die Künstlerin spulte kein x-fach gespieltes Programm ab, sondern variierte es an derzeitige­n Begebenhei­ten.

Da lief man fast Gefahr, zu vergessen, dass der Kanadier Mackensam zie nicht nur mit herrlich komischer, stummer Resignatio­n oder einem kurzen Komik-Solo das Programm bereichert­e, sondern auch ein begnadeter Gitarrist ist. So wie Madame Tausendsch­ön nicht nur die „singende Säge“, sondern vor allem eine ganz wunderbare Stimme beherrscht. Deshalb waren auch die zur Abwechslun­g etwas ernsteren Lieder wie „Bar jeder Vernunft“oder „Auch wenn Du gehst“ein wahrer Genuss – zumal sie wie „Die neue Leichtigke­it der Deutschen“nie ganz ohne Augenzwink­ern auskamen.

 ?? Foto: Helmut Bissinger ?? Skurril poetisches Kabarett boten Nessie Tausendsch­ön und William Mackenzie im Thaddäus.
Foto: Helmut Bissinger Skurril poetisches Kabarett boten Nessie Tausendsch­ön und William Mackenzie im Thaddäus.

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