Das historische Gedächtnis von Oberndorf
Alois Müller wird heute 90 Jahre alt. Er hat das Gemeindeleben geprägt
Oberndorf Am morgigen Dienstag feiert Alois Müller seinen 90. Geburtstag. In seiner Heimatgemeinde ist er nur als der „Koiser Luis“bekannt: Ein Mann, der wie kein anderer über die Geschichte Oberndorfs während des gesamten 20. Jahrhunderts Bescheid weiß. Wenn Müller ins Erzählen kommt, wird man in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt: Er erinnert sich noch an viele Ereignisse aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sehr detailliert.
Müller wäre gerne Schreiner geworden, musste aber seine Lehre zu Beginn der 1940er-Jahre abbrechen, um zu Hause die Landwirtschaft zu führen, da sein älterer Bruder zur Wehrmacht eingezogen worden war. Die Kriegszeit hat ihn wie viele andere seiner Generation tief geprägt. Zwei seiner Brüder sind im Osten gefallen. Er selbst sollte zwar noch im Jahr 1945 an die Front, aber das rasche Ende des Krieges bewahrte ihn vor dem Kampfeinsatz. Als die Amerikaner in Oberndorf einrückten, gehörte er zu jenen, die am Kirchturm die weiße Fahne anbringen wollten, aber von SS-Soldaten, die sich im Turm verschanzt hatten, daran gehindert wurden.
Nachdem sein Vater im Jahr 1945 verstarb, musste er den elterlichen Hof allein bewirtschaften. Er war ein Leben lang Bauer mit Leib und Seele und baute seinen Hof mit viel Geschick und harter Arbeit zu einem stattlichen Anwesen aus. Von 1974 bis 1991 arbeitete Müller als Gemeindearbeiter bei der Gemeinde Oberndorf. Seine Tätigkeit als Gemeindediener übte er bis zum Jahr 2008 aus. Nebenbei war er viele Jahrzehnte Feldgeschworener und Mitglied der Kirchenverwaltung in Oberndorf. Im Jahr 1954 heiratete er seine Frau Marlies. Aus der Ehe gingen zwei Töchter, vier Enkel und mittlerweile zwei Urenkel hervor. Seine Frau starb bereits im Jahr 1990 mit nur 58 Jahren.
Alois Müller sah es sein Leben lang, auch aus christlicher Überzeugung, als seine Pflicht an, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. So ist er bereits seit Jugendjahren Mitglied der Oberndorfer Feuerwehr und gehörte im Jahr 1947 zu den Wiedergründungsmitgliedern des Männergesangvereins (MGV). Dort singt er bis heute mit großer Freude im zweiten Tenor. Bei den Sängern war er auch über viele Jahrzehnte Fähnrich, Kassier und „Mädchen für alles“. Eine weitere große Leidenschaft von Luis ist das Sammeln von Gegenständen der Zeitgeschichte. Er hat das Oberndorfer Heimatmuseum aufgebaut und ist bis heute Museumswart des Heimatvereins. Zu jedem Gegenstand kann er etwas erzählen.
Für seine vielfältigen Verdienste um die Gemeinde wurde er 1994 mit der Goldenen Bürgermedaille ausgezeichnet und vom MGV und dem Heimatverein zum Ehrenmitglied ernannt. Wer dem Jubilar gratulieren will, kann die mit einem Besuch im Oberndorfer Heimatmuseum verbinden. Das ist jeden ersten Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr geöffnet.