Auf der Flucht?
Mark Lowery Martin reist in die Vergangenheit
Auf und ab, ein gewaltiger Sprung über die Wellen, das Tauchen in die kalten Tiefen. Ein Delfin ist immer in Bewegung. Und er genießt Freiheit – die gewaltige Freiheit des Meeres. Freiheit ist das, was sich Charlie wünscht. Der Zehnjährige, körperlich und geistig eingeschränkt, ist fasziniert von einem Delfin, den er in einem Urlaub mit seinen Eltern und seinem Bruder Martin gesehen hat. Genau dorthin will der 13-jährige Martin seinen jüngeren Bruder Charlie wieder bringen – nach St. Bernhards im englischen Cornwall. Doch seinen Eltern erzählt er davon nichts – Martin holt seinen Bruder eines Morgens aus dem Bett und gemeinsam machen sie sich auf den Weg.
Autor Mark Lowery schickt die Protagonisten in seinem Buch „Wie ein springender Delfin“auf eine Abenteuerreise. Von Preston aus machen sich die Jungen auf den Weg in den Süden Englands, Luftlinie rund 400 Kilometer. Am Anfang je- des Kapitels erfährt der Leser, wie viele Meter die Protogonisten zurücklegen – samt gepunkteter Linie mit maßstabsgetreuer Angabe. Manchmal kommen die Jungen schnell voran, dann wieder gibt es Probleme. Anfangs sind das noch kleine Schwierigkeiten. Martin scheitert etwa beinahe an dem Versuch, eine Zugkarte für die lange Strecke zu kaufen. Später werden die Probleme massiv, denn die Polizei sucht nach den Ausreißern.
Damit nimmt die Geschwindigkeit der Handlung an Fahrt auf – wie einer der Züge, in denen sich die Jungen den größten Teil der Strecke fortbewegen. Die Entwicklungen treffen den Leser oft ebenso überraschend, wie sie auf die Protagonisten einwirken. So begegnen sie der jungen Frau Henrietta, die scheinbar ziellos durch England reist. So undurchschaubar sie anfangs bleibt, hinterlässt sie bei Martin schnell einen bleibenden Eindruck – denn Henriette reist mit explosivem Ma- terial im Rucksack. Trotz seiner Angst vor der jungen Frau kreuzen sich ihre Wege nicht nur kurz. Zwangsweise werden sie zu Reisegefährten. Denn Henrietta versteht es, Problemen mit der Polizei aus dem Weg zu gehen – was Martin sehr gelegen kommt.
Im Lauf der Geschichte zeigt sich: Neben der Reise, durch die der Autor die Geschichte entwickelt, treibt eine große Enthüllung die Handlung voran. Das Ziel, das die Jungen erreichen wollen, führt sie nicht nur in den Südwesten Englands. Ihr Weg führt sie zurück zu den Ereignissen ein Jahr zuvor, in den Küstenort St. Bernhards, wo sie ihren Familienurlaub verbracht haben. In mehreren Rückblenden enthüllt das Buch Stück für Stück die Hintergründe der Handlung und auch die Motivation Martins, seinen Bruder hinter dem Rücken seiner Eltern nach St. Bernhards zu bringen.
Einen Einblick in das Gefühlsleben des Protagonisten Martin geben seine selbst verfassten Gedichte, die er im Lauf der Handlung passend zur jeweiligen Situation schreibt. Während die eigentliche Handlung größtenteils abenteuerlich und lustig erzählt wird, werfen die Gedichte ein düsteres Bild auf das Geschehen. Sie zeigen, dass Martin sich getrieben fühlt.
Dabei spielt der Autor Mark Lowery geschickt mit dem Thema der Reise. Denn die Zwischenstationen, welche die Jungen passieren, haben in der Handlung nur wenig Bedeutung. Vielmehr offenbart sich auf dem Weg immer mehr vom Innenleben der Protagonisten. Ihre Reaktion auf die Schwierigkeiten der Reise bringen sie nicht nur auf dem Weg, sondern auch in ihrer inneren Entwicklung voran. Gleichzeitig streut der Autor immer wieder Hinweise ein, die den Leser auf unsicherem Boden zurücklassen – Ungereimtheiten, die Fragen aufwerfen. Bis ein starker Wendepunkt all diese Punkte aufklärt.