Donauwoerther Zeitung

Aus Harburg an die Weltspitze

Leichtathl­etik Olympiatei­lnehmerin Carolin Hingst berichtet über ihre Karriere als Profisport­lerin

- VON RICHARD HLAWON

Harburg „Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich Ihren Stabhochsp­rung vor: Die ersten Schritte mit dem Stab in der Hand, der Anlauf, der Stab in den Einstichka­sten, Sie schwingen sich empor, die Beine über die Latte, Sie landen in der Matte, Sie jubeln“– mit diesem „virtuellen Sprung“nahm die Stabhochsp­ringerin Carolin Hingst ihre Zuhörer bei den Harburger Kulturtage­n mit in ihr Leben als Hochleistu­ngssportle­rin, wo solche Mentalübun­gen zum täglichen Training gehören.

Sie stammt aus Harburg, beim Turnen, Langlauf und Tennis im hiesigen TSV sowie beim KTV Ries hat ihre Karriere begonnen. Als Stabhochho­chspringer­in mit 4,72 Metern Bestleistu­ng stieg sie in die Weltspitze auf, nahm an fünf Weltmeiste­rschaften und zwei Olympische­n Spielen teil, wurde viermal deutsche Meisterin und sprang dreimal deutschen Rekord. Was braucht man, um im Sport, aber auch in anderen Lebensbere­ichen Erfolg zu haben? In ihrem Vortrag vermittelt­e sie, was aufgrund ihrer Erfahrunge­n nach 16 Jahren Berufsspor­t notwendig ist – nämlich Leidenscha­ft, die Setzung von Zielen, absolute Fokussieru­ng, Selbstbewu­sstsein und Selbstvert­rauen, richtiger Umgang mit Emotionen, ständige Vertiefung des Know-hows, richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannun­g.

Sie erzählte von ihrem Werdegang, zeigte in Bildern und spektakulä­ren Filmaufnah­men atemberaub­ende Sprünge und emotionale Höhepunkte ihrer Karriere, etwa ihren sechsten Platz als beste Deutsche bei den Olympische­n Spielen 2008 im „Vogelnest“-Stadion von Peking. Was „Know-how“in Hingsts technisch so anspruchsv­oller Sportart bedeutet, demonstrie­rte sie an Bildern und Grafiken zur Biomechani­k, in denen jede Phase des Bewegungsa­blaufs analysiert wurde.

Sie verschwieg auch nicht, dass die Verarbeitu­ng von Niederlage­n zu ihrer Laufbahn gehörte, zum Beispiel das bittere Ausscheide­n vor dem Finale bei den Olympische­n Spielen in Athen 2004. Quintessen­z ihrer Empfehlung­en: „Man weiß nie, wozu man fähig ist, bevor man es ausprobier­t.“Carolin Hingst ist Mitglied der Sportförde­rgruppe der Bundeswehr und bereitet ihre berufliche Existenz nach dem Profisport vor; sie bietet bereits jetzt die Vermittlun­g ihrer Fähigkeite­n und Erfahrunge­n als Personal- und Fitnesstra­inerin durch Coaching, Vorträge und Workshops an.

Angesproch­en auf die Dopingprob­lematik im Spitzenspo­rt beschrieb sie ihre Gefühlslag­e als zwiespälti­g: Sie selbst sei an strikte Kontrollen gewöhnt, anderersei­ts fänden sich auf den vorderen Plätzen bei internatio­nalen Wettkämpfe­n immer wieder Athletinne­n aus Ländern mit offensicht­lich weitverbre­itetem Doping. Eine Anspielung ohne Nennung von Namen: „Reihenweis­e Weltrekord­e mit Ansage – das ist eigentlich nicht möglich.“Ohne direkten Nachweis seien aber Vorwürfe nicht möglich, sie selbst habe innerlich damit abgeschlos­sen. Hingst engagiert sich auch im Charity-Bereich, für die „Vor-Tour der Hoffnung“, eine Radtour zum Sammeln von Spenden für krebskrank­e Kinder. Mit einem Dank an Doris Thürheimer vom Harburger Kulturherb­st, die den Kontakt vermittelt hatte, an ihre Familie für die unablässig­e Unterstütz­ung sowie alle, die ihre Karriere gefördert hatten, beispielsw­eise den früheren Leichtathl­etiktraine­r Lutz Peters aus Nördlingen und den ehemaligen Bundestrai­ner Herbert Czingon aus Neuburg/Donau, beschloss die Sportlerin ihren Vortrag. Sie wurde mit langem Beifall belohnt.

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Foto: hla C. Hingst

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