Aus Harburg an die Weltspitze
Leichtathletik Olympiateilnehmerin Carolin Hingst berichtet über ihre Karriere als Profisportlerin
Harburg „Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich Ihren Stabhochsprung vor: Die ersten Schritte mit dem Stab in der Hand, der Anlauf, der Stab in den Einstichkasten, Sie schwingen sich empor, die Beine über die Latte, Sie landen in der Matte, Sie jubeln“– mit diesem „virtuellen Sprung“nahm die Stabhochspringerin Carolin Hingst ihre Zuhörer bei den Harburger Kulturtagen mit in ihr Leben als Hochleistungssportlerin, wo solche Mentalübungen zum täglichen Training gehören.
Sie stammt aus Harburg, beim Turnen, Langlauf und Tennis im hiesigen TSV sowie beim KTV Ries hat ihre Karriere begonnen. Als Stabhochhochspringerin mit 4,72 Metern Bestleistung stieg sie in die Weltspitze auf, nahm an fünf Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen teil, wurde viermal deutsche Meisterin und sprang dreimal deutschen Rekord. Was braucht man, um im Sport, aber auch in anderen Lebensbereichen Erfolg zu haben? In ihrem Vortrag vermittelte sie, was aufgrund ihrer Erfahrungen nach 16 Jahren Berufssport notwendig ist – nämlich Leidenschaft, die Setzung von Zielen, absolute Fokussierung, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, richtiger Umgang mit Emotionen, ständige Vertiefung des Know-hows, richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung.
Sie erzählte von ihrem Werdegang, zeigte in Bildern und spektakulären Filmaufnahmen atemberaubende Sprünge und emotionale Höhepunkte ihrer Karriere, etwa ihren sechsten Platz als beste Deutsche bei den Olympischen Spielen 2008 im „Vogelnest“-Stadion von Peking. Was „Know-how“in Hingsts technisch so anspruchsvoller Sportart bedeutet, demonstrierte sie an Bildern und Grafiken zur Biomechanik, in denen jede Phase des Bewegungsablaufs analysiert wurde.
Sie verschwieg auch nicht, dass die Verarbeitung von Niederlagen zu ihrer Laufbahn gehörte, zum Beispiel das bittere Ausscheiden vor dem Finale bei den Olympischen Spielen in Athen 2004. Quintessenz ihrer Empfehlungen: „Man weiß nie, wozu man fähig ist, bevor man es ausprobiert.“Carolin Hingst ist Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr und bereitet ihre berufliche Existenz nach dem Profisport vor; sie bietet bereits jetzt die Vermittlung ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen als Personal- und Fitnesstrainerin durch Coaching, Vorträge und Workshops an.
Angesprochen auf die Dopingproblematik im Spitzensport beschrieb sie ihre Gefühlslage als zwiespältig: Sie selbst sei an strikte Kontrollen gewöhnt, andererseits fänden sich auf den vorderen Plätzen bei internationalen Wettkämpfen immer wieder Athletinnen aus Ländern mit offensichtlich weitverbreitetem Doping. Eine Anspielung ohne Nennung von Namen: „Reihenweise Weltrekorde mit Ansage – das ist eigentlich nicht möglich.“Ohne direkten Nachweis seien aber Vorwürfe nicht möglich, sie selbst habe innerlich damit abgeschlossen. Hingst engagiert sich auch im Charity-Bereich, für die „Vor-Tour der Hoffnung“, eine Radtour zum Sammeln von Spenden für krebskranke Kinder. Mit einem Dank an Doris Thürheimer vom Harburger Kulturherbst, die den Kontakt vermittelt hatte, an ihre Familie für die unablässige Unterstützung sowie alle, die ihre Karriere gefördert hatten, beispielsweise den früheren Leichtathletiktrainer Lutz Peters aus Nördlingen und den ehemaligen Bundestrainer Herbert Czingon aus Neuburg/Donau, beschloss die Sportlerin ihren Vortrag. Sie wurde mit langem Beifall belohnt.