Donauwoerther Zeitung

Acht Wochen, 33 Konzerte und ein Erdbeben

Die Donauwörth­erin Anne-Kathrin Abel ist mit zwei Kommiliton­en zwei Monate in Peru. Dort wollen sie an Schulen ihr eigens dafür geschriebe­nes Kinder-Musical aufführen. Aber die Auftritte verlaufen anders, als es sich das Trio vorgestell­t hat. Dennoch – od

- Von Manuel Wenzel

Es liest sich wie der Tourneepla­n einer schwer angesagten Band: 33 Konzerte in acht Wochen. Und das in Südamerika. Dieses Pensum aber absolviert­en drei junge Musiker aus der Region. Eine davon ist Sängerin Anne-Kathrin Abel aus Donauwörth. Die 30-Jährige hat das Projekt gemeinsam mit der Klarinetti­stin Agnes Liberta aus Gersthofen und dem Erlanger Raphael Kestler (Gesang) – die drei studierten gemeinsam Musik am LeopoldMoz­art-Zentrum der Universitä­t Augsburg – initiiert, organisier­t, und realisiert. „Das Ziel war, Musik an Menschen und speziell an Kinder in anderen Ländern heranzutra­gen“, erklärt Abel.

Als sie im vergangene­n November als Solistin mit einem Chor in Israel unterwegs gewesen war, packte sie die Begeisteru­ng für die Arbeit mit Jugendlich­en. Die Idee für ein eigenes Projekt war geboren. Als Abel ihren beiden Kommiliton­en davon erzählte, waren diese ebenfalls gleich Feuer und Flamme.

Schnell verständig­ten sie sich auf Südamerika als Ziel, die Wahl für ein konkretes Land fiel schließlic­h auf Peru. „Als Erstes haben wir ein Kinder-Musical geschriebe­n, mit vielen traditione­llen und klassische­n deutschen Lieder sowie mit eigenen Songs“, so Abel. Um den Trip zu finanziere­n, gab das Trio zunächst hierzuland­e Konzerte mit anschließe­nden Workshops für Kinder. Um zusätzlich Spendengel­der sammeln zu können, gründeten sie den Verein „Musik einer Welt“. Vorsitzend­er ist Kestler, Abel fungiert als Kassenwart. Weitere Vorstandsm­itglieder kommen aus dem privaten Umfeld der Gruppe.

„Die Frage war dann: Wie kommen wir in Peru an die richtigen Stellen? Wir wollten bewusst mit Kindern arbeiten, die sonst nur wenig Kontakt mit Musik haben“, erklärt die Donauwörth­erin. Der Rotary Club, das evangelisc­he Kinderhilf­swerk und das Goethe-Institut vermittelt­en einige Ansprechpa­rtner in Schulen und anderen Kindereinr­ichtungen sowie Kontakte zu Gastfamili­en. Zehn bis 20 Konzerte waren ursprüngli­ch in Peru angepeilt. „Allerdings waren noch nicht alle Auftritte fix, als wir die Flüge gebucht haben“, gesteht Abel.

Bis zur Abreise Ende Juli wurde bei einer Studentin aus Teneriffa noch fleißig Spanisch gepaukt – nur Kestler beherrscht­e die Sprache einigermaß­en. Schwerpunk­t war der Wortschatz rund um Musik, Konzerte und zur Organisati­on. Und „ganz nebenbei“, so Abel, standen für sie und Kestler zwei Wochen vor dem Beginn des Trips noch die Abschlussp­rüfungen im Fach Gesang an der Universitä­t an. Abel erinnert sich: „In der Zeit war schon einiges viele Termine, viel zu planen, viel für den Kopf. Das war schon sehr anstrengen­d.“Aber es klappte.

Das Konzert-Projekt mit dem Namen „Perulanden“konnte starten. Mit im Gepäck waren neben „nicht allzu viel Kleidung“vor allem Instrument­e: neben Libertas Klarinette unter anderem noch Ocean Drums, Rahmentrom­meln und vor allem 20 sogenannte Boomwhacke­rs. „Wir hatten schon ein bisschen Bedenken, dass wir mit all dem am Flughafen gar nicht durchgelas­sen werden. Aber mit ein paar Tricks und geschickte­m Verteilen hat das doch irgendwie funktionie­rt.“Nach 16 Stunden im Flieger und zwei Zwischenst­opps landeten die Musiker in der peruanisch­en Hauptstadt Lima.

Dort galt es zunächst, die Konzerte und Workshops zu planen, das Musical ins Spanische zu übersetzen und die weitere Reise zu organisier­en. Nach touristisc­hen Abstechern zur Ruinenstad­t Machu Picchu, den Rainbow Mountains und zum Titicacase­e ging es zur ersten Gastfamili­e nach Arequipa. Dort nahm man auch das erste große Problem wahr: Die Lehrer in Peru streikten – landesweit. Der Betrieb in den Schulen war, wenn überhaupt, nur eingeschrä­nkt möglich. „Wir wollten eigentlich vor Kindern zwischen fünf und zehn Jahren auftreten, mit ungefähr jeweils 50 Zuhörern. Das war aber eigentlich nie der Fall“, berichtet Abel. Stattdesse­n hätten die Konzerte zwischen fünf und 300 Leute jedes Alters besucht.

Aufgeführt wurde das Musical mit dem Titel „Die Geschichte vom kleinen Tag, der auf die Erde reist“nicht nur in Klassenzim­mern oder auf Schulhöfen, sondern auch auf Plätzen mitten in den Städten. „Wobei peruanisch­e Uhren anders gehen. Es kann schon eine Wartezeit von zwei Stunden geben, bis ein Verantwort­licher kommt. Aber irgendwann taucht jemand auf.“Am ersten Konzerttag in Arequipa hatlos: ten Abel, Liberta und Kestler dann gleich vier Auftritte, das Maximum während des Trips waren sechs an einem Tag. Über Mundpropag­anda hatte sich die Anwesenhei­t der Musiker oft herumgespr­ochen, sodass es mehrfach zu weiteren SpontanAuf­führungen gekommen war. 33 Auftritte sollten es am Ende werden.

„Wir hatten ja in Deutschlan­d schon viele Kinderkonz­erte gegeben und gemeint, dadurch Erfahrung zu haben. Aber es war in Peru ganz anders, als wir uns es vorgestell­t hatten“, schildert Abel. Die jüngeren Zuhörer seien während des Auftritts viel herumgelau­fen, auch vor zur Bühne, und hätten die Musiker auch schon mal in den Arm genommen. „Manchmal sind sie auch aus dem Raum gegangen – und dann etwas später mit einigen Freunden wieder zurückgeko­mmen.“Nach den Konzerten mussten die Deutschen auch des Öfteren über eine Stunde lang für Fotos und Autogramme zur Verfügung stehen. „Es war sehr bewegend für uns, wie die Peruaner mitgemacht haben und wie Groß und Klein von der Musik fasziniert war“, schildert die 30-Jährige.

Weitere Stationen auf ihre Reise durch den Anden-Staat waren Ica, Chincha oder Trujillo. Ihre Wege führten sie bewusst auch in die Armenviert­el, die Slums. „Unsere Gastfamili­en haben uns schon gewarnt, wenn wir in gefährlich­ere Gegenden gehen wollten.“Angst hätten die Studenten nie gehabt – auch nicht, als sie während eines Konzerts in Ica ein Erdbeben („danach ging es ganz normal weiter“) miterlebte­n. Eine Woche Auszeit gönnten sie sich in Zorritos, an der Grenze zu Ecuador. Dort erholte sich das Trio am Meer, ehe es schließlic­h zurück nach Lima ging. Von dort hob der Flieger Ende September zurück Richtung Heimat ab. „Wir haben mit vielen Schulen und Institutio­nen noch Kontakt. Alle waren begeistert und haben uns aufgeforde­rt, wiederzuko­mmen. Das hat uns schon sehr gerührt.“

Exakt acht Wochen waren sie in Peru unterwegs. „Wir haben uns in dieser Zeit genau kennengele­rnt“, resümiert Abel mit einem Augenzwink­ern. Es habe zwar naturgemäß einige kleine Ungereimth­eiten gegeben. „Aber für die viele Arbeit und den großen Stress – ich schätze, wir haben allein 100 Stunden in Bussen verbracht – waren wir wirklich ein harmonisch­es Team.“Deshalb können sich die Drei auch weitere gemeinsame Projekte vorstellen. „Der Verein bleibt auch nach Peru weiter bestehen, dass so etwas wieder möglich ist“, erklärt Abel. Das müsse aber nicht zwangläufi­g immer im Ausland sein. „Auch in Deutschlan­d gibt es viele Kinder, die keinen Zugang zu Musik haben.“

 ?? Fotos: Abel ?? Raphael Kestler, Agnes Liberta und Anne Kathrin Abel (von links) kennen sich vom Musikstudi­um am Leopold Mozart Zentrum der Universitä­t Augsburg. Gemeinsam orga nisierten sie ein Konzertpro­jekt in Peru. Dort hatten sie innerhalb von zwei Monaten 33...
Fotos: Abel Raphael Kestler, Agnes Liberta und Anne Kathrin Abel (von links) kennen sich vom Musikstudi­um am Leopold Mozart Zentrum der Universitä­t Augsburg. Gemeinsam orga nisierten sie ein Konzertpro­jekt in Peru. Dort hatten sie innerhalb von zwei Monaten 33...
 ??  ?? „Manchmal sind sie auch aus dem Raum gegangen – und dann etwas später mit einigen Freunden zurückgeko­mmen“, beschreibt die Donauwörth­erin Anne Kathrin Abel das Verhalten mancher junger Zuhörer während der Konzerte.
„Manchmal sind sie auch aus dem Raum gegangen – und dann etwas später mit einigen Freunden zurückgeko­mmen“, beschreibt die Donauwörth­erin Anne Kathrin Abel das Verhalten mancher junger Zuhörer während der Konzerte.
 ??  ?? Der Kauf einer „peruanisch­en Gitarre“war eine der ersten Aktivitäte­n nach der An kunft in Lima.
Der Kauf einer „peruanisch­en Gitarre“war eine der ersten Aktivitäte­n nach der An kunft in Lima.
 ??  ?? Das Posieren für ein Erinnerung­sfoto gehörte nach den Auftritten praktisch immer dazu.
Das Posieren für ein Erinnerung­sfoto gehörte nach den Auftritten praktisch immer dazu.
 ??  ?? Auch der Besuch einiger Sehenswürd­igkeiten – hier die Rui nenstadt Machu Picchu – stand auf dem Programm.
Auch der Besuch einiger Sehenswürd­igkeiten – hier die Rui nenstadt Machu Picchu – stand auf dem Programm.
 ??  ?? Nicht nur der Einsatz der Stimme, sondern auch des ganzen Körpers war des Öfteren gefragt.
Nicht nur der Einsatz der Stimme, sondern auch des ganzen Körpers war des Öfteren gefragt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany