Ein wirklich großer Abend
Mertingen erlebt eine imponierende Aufführung der „Fledermaus“mit bestens disponierten Interpreten. Ein Experiment wird zum Erfolg
Mertingen „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist!“Weisheiten aus Sängermund. In der „Fledermaus“. Für diesen Konzertabend in Mertingen ist Vergessen garantiert nicht erforderlich – den sollte man sich merken!
Bangemachen gilt nicht – dieses Motto hatten sich Dirigent Vasyl Zakopets und der Musikverein Mertingen vorgegeben – aber wie oft der langjährige Dirigent gleichwohl schlecht geschlafen hat, kann man nur ahnen. Es war ja auch nicht die geringste aller gestellten Aufgaben: eine konzertante Aufführung eines der drei Hauptwerke von Johann Strauß aus der „Goldenen Ära“der leichten Muse in den 1880er-Jahren: die „Fledermaus“. Sinfonische Qualitäten galt es zu erreichen. Strauß hatte für Sinfonieorchester komponiert. Solisten und ein Schulchor mussten integriert werden.
Aber die Mühen haben sich wahrlich gelohnt. In der rappelvollen Turnhalle, sparsam, deshalb sehr ansprechend dekoriert, versetzten rund 110 Mitwirkende Jung und Alt in kollektive Begeisterung. Selbstverständlich ist das nicht, wenn eine Blaskapelle Operette gibt. Doch die Mertinger, angespornt vom Dirigenten, präsentierten sich in großartiger Form. Ganz besonders hervorzuheben sind Klarinettistinnen, Oboistinnen und Flötistinnen, denen keine geringere Aufgabe oblag, als die Streichinstrumente zu ersetzen. Und in dieser berühmten Operette lauern bekanntlich Fallstricke ohne Ende. Sie meisterten die Schwierigkeiten bestens.
Das lag auch an vier jungen Sängern. Die Sopranistin Susanne Pemmerl, die Mezzosopranistin Odilia Vandercruysse, der Tenor Sang-Eun Shim und der Bariton Tobias Neumann sind Glücksfälle für diesen Abend. Größtenteils Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper München – also bestens bei Stimme allen Herausforderungen gewachsen. Mit einer Blaskapelle Operette zu singen ist ja auch für Profis nicht ganz einfach, doch die Sänger hatten auch beim Open Air in Binswangen schon gesungen. Der anstrengenden Akustik in der Turnhalle zum Trotz stellten sie ihre Partien souverän, mit hoher stimmlicher Prägnanz vor. Amüsant stets, wenn sie halbszenisch ihren Worten Aus- druck verliehen, oder kokett den Rock hoben ... Das Publikum ging denn auch rasch begeistert mit.
Josef Köber führte durch das Programm. Gern zitierte er kurzweilig aus dieser Geschichte von Fremdgehen und Schadenfreude: Der einem außerehelichen Abenteuer nicht abgeneigte Lebe(Ehe-)mann Eisenstein muss wegen Beamtenbeleidigung acht Tage in Haft. Seine Ehefrau Round salinde wärmt ihre Liaison mit Tenor Alfred auf und wartet sehnsüchtig darauf, dass der Gatte endlich das Feld räumt. Der einstens – sturzbetrunken – von Freund Eisenstein blamierte Notar Dr. Falke hat noch eine Rechnung mit diesem offen. Mithilfe des blasierten und exaltierten Grafen Orlowski wird seine Rache ausgeführt. Eisenstein, Gattin Rosalinde, Stubenmädel Adele, und Gefängnisdirektor Frank werden zu einer Sause mit viel Champagner eingeladen.
Großes Verwirrspiel – während Eisenstein vermeintlich unerkannt mit seinem kostümierten Stubenmädel flirtet, kommt Eisensteins ebenfalls inkognito erscheinende Frau auf ihre Kosten. Nur Liebhaber Alfred sitzt als vorgeblicher Eisenstein die Nacht im Gefängnis ab. Dr. Franke offenbart letztlich seinen Coup. Die Masken fallen und sämtliche Techtelmechtel kommen ans Licht.
Die Operette lebt von den Sängern: Sie sind es, die das Werk „über die Rampe“bringen müssen. Und sie schaffen es großartig. Die sehr feinsinnige, mitreißende und meisterhaft orchestrierte Komposition aber wird vom Blasmusik-Orchester durchwegs, und nicht nur in den Höhepunkten wie dem Uhren-Duett Rosalinde/Eisenstein, dem Csárdás, der Arie des Orlowski, der der Adele „Mein Herr Marquis“, dem Chorwalzer „Brüderlein und Schwesterlein“, bravourös, diszipliniert und sehr musikantisch gemeistert. Der junge Projektchor des BonaventuraGymnasiums Dillingen war bestens aufgestellt. Der Verfremdungseffekt der Kinderstimmen in der lasziven Champagner-Atmosphäre überraschte und amüsierte zugleich.
Alle zusammen gestalteten so einen sehr kurzweiligen, sehr unterhaltsamen Operettenabend. Das Publikum applaudierte stehend. Allen Mitwirkenden gebührt dickes Lob: Vielleicht schafft ja Operette in dieser Darstellungsform Zugang für viele und erweckt so Neugierde und Lust auf lebendiges Erleben!