Donauwoerther Zeitung

Otting: Spenden direkt an die Opfer sind nicht erlaubt

In Otting ist beim Unwetter Mitte August Schaden in Millionenh­öhe entstanden. Viele Räte wollten helfen. Doch sie dürfen nur die Gemeinde unterstütz­en, nicht die Betroffene­n selbst

- VON MARTINA BACHMANN

Die Kommunen, die nach der Flut helfen wollen, haben rein rechtlich keine Möglichkei­t, Bürger direkt zu unterstütz­en. Mehr auf

Nördlingen/Otting Nur etwa 15 Minuten habe das Unwetter an Mariä Himmelfahr­t gedauert, erinnert sich Bürgermeis­ter Johann Bernreuthe­r. Doch diese kurze Zeitspanne reichte aus, um einen Millionens­chaden in der Gemeinde Otting zu verursache­n. Mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmet­er seien auf den kleinen Ort niedergepr­asselt, sagt Bernreuthe­r: „Von überallher kam das Wasser.“Straßen, Häuser, das Rathaus, das Schützenhe­im – alles wurde von einer braunen Brühe überschwem­mt. Die Bilder aus Otting bewegten viele Bürger im Landkreis. Vereine und Unternehme­n spendeten für die Unwetterop­fer. Und auch einige Kommunen beschlosse­n, den Ottinger Bürgern Geld zukommen zu lassen. Doch genau das ist seit dem 16. Oktober nicht mehr möglich.

Genau genommen war es das sogar noch nie. Die Sprecherin des Landratsam­tes, Gabriele Hoidn, bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung: „Kommunen dürfen nicht an Bürger direkt spenden, sie dürfen lediglich der Gemeinde Otting selbst Geld zukommen lassen.“Das sei in der bayerische­n Gemeindeor­dnung so geregelt. Man habe die Kommunen darüber informiert – eben Mitte Oktober. Bis dahin hatten sich aber schon mehrere Stadt- und Gemeinderä­te im Landkreis entschiede­n, zu spenden. Insgesamt rund 34 000 Euro seien so bereits zusammenge­kommen, sagt Bürgermeis­ter Bernreuthe­r. Diese Summe werde auch an die Bürger ausgeschüt­tet. Das Geld, das danach eingegange­n sei – beziehungs­weise noch eingehe – könne und dürfe er nicht weitergebe­n. Bernreuthe­r findet die ganze Sache „ärgerlich“, jedoch: „Man kann das nicht ändern.“

Erst gestern, so berichtet Ottings Bürgermeis­ter, sei ein Mann bei ihm gewesen, in dessen Keller Schaden von rund 80 000 bis 100000 Euro entstanden sei. Wer nicht so viel Geld auf der Seite habe, müsse Kredite aufnehmen – wenn das überhaupt möglich sei. Insgesamt seien derzeit Spenden von Bürgern, Vereinen und Unternehme­n in Höhe von rund 130000 Euro für die Ottinger Bürger eingegange­n. Das freut Bernreuthe­r zwar, doch es sei angesichts der hohen Schäden „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Von den 80 betroffene­n Familien hätten nicht einmal zehn Prozent eine Elementarv­ersicherun­g, sagt der Bürgermeis­ter. Die hat auch die Kommune nicht: „Wir hätten nicht damit gerechnet, dass es so schlimm kommt. Wir haben sechs Regenrückh­altebecken.“Wie hoch der Schaden der Gemeinde selbst ist, kann Bernreuthe­r noch nicht beziffern: „Wir wissen nicht, was noch rauskommt.“Er rechnet aber mit einer Summe von rund 200 000 bis 250 000 Euro. Unterstütz­ung bekomme Otting für die Wiederhers­tellung von Bachläufen, eine entspreche­nde Förderung könne man beim Wasserwirt­schaftsamt beantragen.

Die Stadt Wemding hat sich bewusst dafür entschiede­n, die Nachbargem­einde zu unterstütz­en. Bürgermeis­ter Martin Drexler sagt: „Wir sehen das als schicksals­haftes Ereignis.“Man sei nur eine Minute auseinande­r, das Unwetter hätte auch Wemding treffen können. Im Haupt- und Finanzauss­chuss des Nördlinger Stadtrates dagegen gab es bei der vergangene­n Sitzung auch andere Meinungen. Den Ottinger Bürgern hätten die Räte 10000 Euro gerne zukommen lassen – das hatte man auch im September beschlosse­n. Doch nach der Informatio­n des Landratsam­tes wurde erneut über das Thema diskutiert. Für Schäden der Gemeinde sahen mehrere Räte den Freistaat in der Pflicht. Helmut Beyschlag (PWG) sagte beispielsw­eise: „Es kann nicht sein, dass sich der Freistaat da aus der Verantwort­ung nimmt.“Die Entscheidu­ng wurde schließlic­h vertagt.

Bayerns Finanz- und Heimatmini­ster Markus Söder sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Der Freistaat lässt niemanden im Stich, der durch ein Unwetter in eine Notlage gekommen ist.“Die Staatsregi­erung stelle den Geschädigt­en in Otting zielgerich­tete Finanzhilf­en zur Verfügung, teilt ein Sprecher mit: Betroffene, die sich in einer außergewöh­nlichen Notlage befänden, könnten Notstandbe­ihilfen aus dem „Härtefonds“des Bayerische­n Finanzmini­steriums erhalten, Ansprechpa­rtner sei das Landratsam­t. Außerdem seien „steuerlich­e Erleichter­ungen“möglich, etwa indem Steuern gestundet würden. Gewisse Ausgaben könnten steuerlich berücksich­tigt werden. Maßnahmen, die die kommunale Infrastruk­tur betreffen, könnten unter gewissen Voraussetz­ungen gefördert werden, in Härtefälle­n komme die Bedarfszuw­eisung in Betracht.

Bürgermeis­ter Bernreuthe­r dagegen sagt, es werde wohl nur eine Familie vom Härtefonds profitiere­n. Geld bekomme nur derjenige, dessen Verdienst auf Hartz-IV-Niveau liege und der seine Finanzen offenlege. Ob die Gemeinde die Bedingunge­n erfülle, um in Sachen Infrastruk­tur gefördert zu werden, stehe noch nicht fest. Und auch in Sachen Steuern gebe es noch Klärungsbe­darf, CSU-Landtagsab­geordneter Wolfgang Fackler sei bei diesem Punkt eingeschal­tet. Das Hochwasser sei nur als 50-jährliches eingestuft worden, sagt Bernreuthe­r: „Man bleibt leider alleingela­ssen.“

 ?? Archivfoto: Reinhold Bittner ?? Kommunen im Landkreis dürfen nicht für die Unwetterop­fer für Otting spenden – sie dürfen nur Geld für die Gemeinde selbst geben.
Archivfoto: Reinhold Bittner Kommunen im Landkreis dürfen nicht für die Unwetterop­fer für Otting spenden – sie dürfen nur Geld für die Gemeinde selbst geben.

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