Die Milch Rebellen aus Oberbayern
Die Molkerei Berchtesgadener Land setzt schon lange auf Nachhaltigkeit. Jetzt positioniert sie sich klar gegen das Pflanzengift Glyphosat – als erstes Milchwerk in Deutschland
Augsburg l AZ l Nach Angaben der an der Preisfeststellung beteiligten Heizölhändler wurden am Mittwoch, 25. Oktober, in Augsburg folgende Bruttopreise (inkl. MwSt.) in ¤ erzielt (rechte Spalte Vorwo chenpreise):
-
Liter
- ab 400 ab 800 ab 1500 ab 2500 ab 3500 ab 5500 ab 7500
9500–
11 500 Preise in ¤ je 100 Liter
69,69–85,59 (78,52–86,19) 63,02–71,70 (68,76–72,29) 60,46–65,56 (63,82–66,15) 59,38–63,74 (59,98–64,33) 58,16–62,27 (58,75–62,87) 57,04–61,43 (57,64–62,02) 56,53–60,73 (57,12–61,32)
56,22–59,46 (56,82–60,06) Augsburg Vor zwei Jahren hat Bernhard Pointner schon einmal für Aufsehen gesorgt. Die Milchkrise schwelte, der Milchpreis fiel zum Teil unter 30 Cent, viele Landwirte mussten ihren Hof aufgeben. In dieser dramatischen Zeit tat Pointner etwas ganz und gar Ungewöhnliches: Er zahlte seinen Milchbauern nicht weniger Geld als die übrigen Molkereien, sondern mehr.
38 Cent pro Liter bekamen die Landwirte damals von der Molkerei Berchtesgadener Land, die ihren Sitz im oberbayerischen Piding hat und deren Geschäftsführer der 41Jahre alte Pointner ist. Kein Betrieb im Land zahlte mehr – und der Chef der Genossenschaft war plötzlich ein gefragter Gesprächspartner. Wenn seine Bauern Spitzenmilch liefern sollen, sagte Pointner damals in einem Interview, dann „müssen wir ihnen auch den Preis bezahlen, mit dem sie wirtschaften können“. So einfach, so nachvollziehbar.
Heute taucht Pointners Name wieder regelmäßig in der Zeitung oder im Radio auf. Als erste Molkerei in Deutschland will Berchtesgadener Land seinen Landwirten ver- bieten, das umstrittene Pflanzengift Glyphosat zu benutzen. Das Mittel steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Seit Monaten wird in der Europäischen Union darüber gestritten, ob es für weitere zehn Jahre auf dem Markt bleiben darf. Vorstand und Geschäftsführung von Berchtesgadener Land haben sich schon vor einiger Zeit auf den Schritt verständigt. Gestern stimmte auch der Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Landwirte sitzen, einstimmig dafür. „Es gibt in unserem Milcheinzugsgebiet keine Notwendigkeit, ein Totalherbizid einzusetzen, dessen wissenschaftliche Bewertung hinsichtlich Auswirkungen auf Mensch und Umwelt kontrovers ist“, betonte Pointner.
Viele der Landwirte aus dem Berchtesgadener Land verzichten ohnehin schon auf das Herbizid, heißt es aus dem Unternehmen. Nun soll das Verbot explizit in die Milchlieferbedingungen aufgenommen und die Einhaltung regelmäßig kontrolliert werden. Dass die Molkerei das Verbot ausgerechnet dann offiziell absegnen lässt, wenn eine erneute Entscheidung über die Zukunft von Glyphosat ansteht, ist deshalb auch als Signal zu verstehen. Geschäftsführer Pointner nennt das einen „wesentlichen Schritt für die Interessen der Verbraucher und unseren hohen Anspruch an Qualität und Nachhaltigkeit“.
Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, aber er passt zu der Molkereigenossenschaft, die sich schon immer mehr über die Qualität ihrer Produkte definiert hat als über die bloße Menge, die verkauft wird. Berchtesgadener Land wurde vor 90 Jahren von 54 Bauern gegründet, am Anfang lieferten sie knapp 700 Liter Milch am Tag nach Piding. Fast 50 Jahre später entstanden durch die Fusion mit der Chiemgau-Molkerei im Nachbarort Trutlaching die Milchwerke Berchtesgadener Land. Heute gehören 1800 Landwirte aus der Region zwischen Watzmann und Zugspitze zur Genossenschaft. 1973 führte der damalige Geschäftsführer und Vater des heutigen Chefs Helmut Pointner eine Bio-Linie ein, Berchtesgadener Land war damals die erste bayerische Bio-Molkerei. Heute sind knapp ein Drittel der mittlerweile 1800 Milchviehhalter Bio-Bauern.
Berchtesgadener Land hat hohe Ansprüche an seine Lieferanten: Das Futter muss frei von Gentechnik sein, die Landwirte sollen so wenig Antibiotika wie möglich einsetzen. Stattdessen veranstaltet das Unternehmen Homöopathie-Schulungen, schickt Berater in die Ställe. Damit sich das alles auch rechnet, verlangt das Unternehmen von seinen Kunden höhere Preise. Die Milch in den charakteristischen grünen Packungen und Glasflaschen ist mindestens doppelt so teuer wie beim Discounter. Molkerei-Chef Pointner beruft sich immer wieder auf die Qualität der Produkte – und auf den Verbraucher, der das erkennt und bereit ist, mehr Geld dafür auszugeben. Dafür werden Radiospots geschaltet, in denen die Bergbauern von ihrem Alltag erzählen. Dafür wird ein aufwendiger Unternehmensfilm produziert, der zeigt, wo die Milch herkommt.
Und dafür sorgt Bernhard Pointner in regelmäßigen Abständen für Aufsehen mit seinen Vorstößen, die ganz und gar ungewöhnlich für die Branche sind.
Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein