Glyphosat und seine Folgen
Die Debatte um das Pflanzenschutzmittel dauert nun schon mehrere Monate an. Eine Entscheidung gibt es noch immer nicht. Aber warum ist das Mittel überhaupt so umstritten?
Berlin Die EU-Staaten haben gestern wieder keine Entscheidung zur weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat getroffen. Seit Monaten wird über das Thema gerungen. Aber warum laufen Umweltschützer überhaupt Sturm gegen das Mittel? Weil Glyphosat ein sogenanntes Totalherbizid ist, es wirkt also auf sämtliche grünen Pflanzen und hat damit ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer herbizider Wirkstoff. Es blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen, das aber auch in Pilzen und Mikroorganismen vorkommt. Wo Glyphosat auf Pflanzen gesprüht wird, wächst sprichwörtlich kein Gras mehr – und auch kein Kraut, Strauch oder Moos. Der wasserlösliche Wirkstoff wird über die Blätter aufgenommen und geht in alle Pflanzenteile.
Wo wird Glyphosat eingesetzt? Glyphosat dominiert den HerbizidWeltmarkt in der Menge, der Einsatzhäufigkeit und auch der Fläche. Auf rund 400 Millionen Hektar überwiegend landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche weltweit komme Glyphosat zum Einsatz, heißt es in einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Kleffmann Group vom Juli. Zum Vergleich: Die landwirtschaftliche Fläche umfasst in Deutschland demnach 16,7 Millionen Hektar, in der EU 178 Millionen Hektar. „Der Wirkstoff hat eine extrem breite Zulassung und ist sehr preiswert“, sagt Horst-Henning Steinmann von der Universität Göttingen. „Das mengenmäßig größte Anwendungsfeld ist der Ackerbau.“Große Bedeutung habe das Herbizid in Deutschland zudem im Weinund Obstbau, bei Privatanwendern und Bundesbahn. Ackerflächen könnten vor oder kurz nach der Aussaat und nochmals nach der Ernte mit Glyphosat unkrautfrei gemacht werden. Diese Aussagen gelten für konventionelle Landwirtschaft. Generell glyphosatfrei ist der Bio-Landbau.
Wer verkauft Glyphosat?
Der US-Konzern Monsanto entwickelte den Wirkstoff für die Unkrautvernichtung, 1974 wurde er erstmals zugelassen. Monsanto vertreibt auf Glyphosat basierende Breitbandherbizide etwa unter dem Markennamen „Roundup“. Im Jahr 2000 lief das Patent auf die Substanz aus, seither wird Glyphosat von mehr als 40 weiteren Herstellern vertrieben. Monsanto verkauft nicht nur Roundup, sondern auch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen (GVO) wie Mais und Soja, die gegen Glyphosat resistent sind. Die Felder können damit auch dann noch behandelt werden, wenn die Pflanzen bereits ein Stück gewachsen sind.
Welche Mengen werden verkauft? „Glyphosathaltige Mittel sind die am häufigsten eingesetzten Herbizide“, sagt Küchler. Rund 850000 Tonnen werden nach Schätzungen jährlich verkauft, 90 Prozent davon zum Einsatz in der Landwirtschaft. Die in Deutschland verkaufte Menge liegt seit zehn bis 15 Jahren bei etwa 5000 Tonnen. Ein Wachstumsmarkt sei derzeit vor allem der kombinierte Einsatz von resistenten Pflanzen und Glyphosat in Nordund Südamerika.
Welche Folgen hat der Einsatz für die Umwelt?
Mit der nahezu vollständigen Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem Acker sinke nicht nur die Zahl der Pflanzen stark, heißt es vom Umweltbundesamt. Dies entziehe allen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage. Ganze Nahrungsnetze könnten zusammenbrechen.