China setzt auf Erneuerbare
Der größte Energieverbraucher der Welt will umsteuern. Aber auch dort wehren sich die Verfechter der Kohle-Verfeuerung
Peking/Yulin In der Bergbaustadt Shenmu spaltet Chinas neue Energiepolitik die Geister. Li Hongwei beispielsweise glaubt fest an die Kohle. Kein Wunder, denn der Mittvierziger arbeitet für das Bergbauunternehmen Shennan Hongliu Kuangye. „China braucht Kohle auch langfristig“, glaubt Li. „Schauen Sie doch mal, wo Strom und Wärme in der Praxis herkommen.“
Li hat das Gegenmodell jedoch jeden Tag vor Augen. In Sichtweite seiner Kohlegrube entsteht ein neuer Solarpark. Während die Kantine der Kohlemine nach einer Entlassungsrunde immer leerer wirkt, herrscht im Yulin-Yushen-Industriepark für Neue Energie ungebremste Aufbruchstimmung.
China baut seine Energiesysteme um. Auf dem großen Parteikongress der regierenden Kommunisten Mitte Oktober hat Präsident Xi Jinping einen besonderen Fokus auf Energie und Nachhaltigkeit gelegt. Diese Haltung passt gut zu Chinas neuer Rolle auf der Weltklimakonferenz in Bonn: eines Vorreiters in der Klimapolitik, für den diese Rolle jedoch noch neu ist.
Der Trend ist klar: In diesem Jahr bricht allein der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen in China erneut Rekorde. Von Januar bis Ende September hat China neue Solarzellen mit einer Leistung von 42 Gigawatt installiert. Damit ist allein 2017 schon so viel dazugekommen, wie Deutschland insgesamt aufgestellt hat. Auch andere Energieträger sind in Fernost schwer im Kommen. China erreicht drei Mal mehr installierte Windleistung als Deutschland, nämlich über 150 Gigawatt. Bis 2030 soll ein Fünftel der Energie aus sauberen Quellen stammen. Im Fünfjahreszeitraum bis 2020 will das Land dafür 320 Milliarden Euro ausgeben. Priorität hat derzeit der Umbau der Netze. Der zügige Ausbau der Elektromobilität soll derweil helfen, Abnehmer für Zeiten des Stromüberangebots zu schaffen.
Doch die Interessenvertreter der Kohle-Fraktion kämpfen innerhalb der Partei um den Erhalt von Abbau und Verbrennung. Das sind vor allem Provinzfürsten und Bosse von Staatsbetrieben der Schwerindustrie. Die Kohle liefert immer noch mehr als sechs Zehntel der Energie in China. Öl und Gas für Heizung und Straßenverkehr machen weitere 25 Prozent aus. Die Vorteile sind offensichtlich: Die Luft wird besser, die neue Technik lässt sich weltweit verkaufen und es entstehen höherwertige Arbeitsplätze.
Für den Kohlebetrieb, in dem Li Hongwei arbeitet, ist der neue Kurs der Führung in Peking jedoch eine
Die Furcht vor Arbeitslosigkeit wächst
schlechte Nachricht. Li berichtet von einem zwanzigprozentigen Nachfrage-Einbruch. Sein Betrieb musste Mitarbeiter entlassen und Gehälter kürzen. Wer in der Umgebung von Shenmu durch den gelblichen Staub der Löss-Landschaft fährt, sieht überall die verrammelten Tore geschlossener Kohlebetriebe. Im vergangenen Jahr allein sind in der Kohlebranche eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gegangen.
Doch auch Li Hongwei kann dem Trend inzwischen Positives abgewinnen: Die Luft sei „ja durchaus schon besser geworden“, seitdem kleinere und ineffizientere Betriebe schließen. So baut sich dann doch gesellschaftlicher Konsens für Veränderungen auf.