Wie Waldumbau funktioniert
Wo über 30 Jahre Fichten standen, wachsen jetzt Stieleichen
Mertingen Sechs Fahrzeuge einer Baumschule gruppieren sich um ein freies Areal im Mertinger Wald. Dort wuchsen über 30 Jahre Fichtenbäume. Stürme und der Borkenkäfer hatten den Bäumen auf einer Fläche von einem Hektar stark zugesetzt. Das Waldgrundstück war in den letzten Wochen freigeräumt worden. Eigentlich nichts Besonderes. Bei genauerem Hinsehen dann aber doch: Denn genau hier hat der „Umbau“im Mertinger Wald begonnen.
Fachleute wie Förster Stefan Wurst nennen die Fichtenbestände mittlerweile „labil“. Es sei ökologisch wichtig, die alten Fichten durch Nadel- mit Laubholz zu ersetzen. „Das ist ein Modellprojekt“, ordnet Wurst die Bedeutung ein. Hunderte Stieleichen wurden nun in den stark verdichteten Boden gepflanzt. Fichten können dort schwer wurzeln, Eichen schon eher.
Bis die Pflänzchen zu großen Bäumen heranwachsen wird einige Jahre in Anspruch nehmen. „Aber wir wollen hier am Eingang zum Mertinger Forst ein Zeichen setzen und zeigen, wie der Waldumbau funktioniert“, sagt Wurst. Seit vier Jahren wird der Gemeindewald in Mertingen durch die Waldbesitzervereinigung Nordschwaben betreut.
Der Mertinger Wald mit seiner Gesamtfläche von rund 600 Hektar hat eine lange Geschichte. Früher war es ein reiner Laubwald, mittlerweile ist er nadelholzdominiert. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Aufforstung mit schnell wachsendem Nadelholz begonnen.
Der Wald ist eine Stiftung von 1603 an die Gemeinde Mertingen durch Gräfin Hilaria von Lederstadt. Der Hintergrund hierfür hat dramatische Wurzeln: Gräfin Hilarias Sohn hatte sich gegen deren Willen mit einem Edelfräulein verheiratet. Um die verhasste Schwiegertochter beiseitezuschaffen, ließ die Gräfin die junge Frau bei einer Reise an den Rhein durch Diener aus dem Schiff ins Wasser stürzen und ertränken. Aus Gram über den Verlust seiner Gattin folgte ihr der Gemahl bald ins Grab. Nun stand die Gräfin im hohen Alter allein und verlassen da, ohne Erben ihrer reichen Besitzungen, ohne Friede in ihrem Herzen. Von Gewissensbissen gefoltert, wollte sie die Blutschuld durch fromme Vermächtnisse sühnen.
Eines der Opfer: Die Wald-Schenkung an Mertingen. 1794 erfolgte die Aufteilung in 119 gleiche Teile an die Mertinger Bürger. Heute ist der Wald Gemeinde-, Benefiziums-, Pfarrpfründewald, Leinfelder’scher Großprivat- und Kleinprivatwald.