Frank Witzels Labyrinth
Nachkriegszeit folgt dem RAF-Roman
Anspruchsvolle Lesearbeit war ja auch schon sein (inklusive der Hörspielfassung) mehrfach ausgezeichneter Roman: „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Jetzt aber, im nächsten Werk, „Direkt danach und kurz davor“, führt Frank Witzel gleich in ein so vollständig undurchsichtiges Labyrinth an Stimmen, dass einen beim Lesen schon mal Orientierung und Lust verlassen können – auch wenn es immer wieder brillante Stellen gibt.
So viel ist klar: Es geht um die unmittelbare Nachkriegszeit in Deutschland. Was da geschieht: Das ist nun eben gar nicht zu sagen. Die Frage danach ist viel mehr Thema des Buches selbst. In wechselnden Erzählungen – etwa von einer tragischen Liebesgeschichte zwischen Siebert und Magda, vom Brand eines Waisenhauses oder von einer fulminant bizarren Theaterszene – werden in kurzen Absätzen immer nur Versuche einer Erzählung unternommen – um sie im Absatz danach wieder infrage zu stellen. Schließlich springt Witzel komplett ins Bizarre, ins Getriebe einer bruchstückhaften „Weltmechanik“. Er skizziert eine „Philosophie der Unbeteiligtheit“, eine „Theorie des Postmortalen“, stellt Wittgenstein den Ansatz eines neuen „Tractatus“entgegen, er gebiert Krötenkinder und Affenkönig… Es ist ein Fest der literarischen Freiheit, die Verweigerung einer Erzählung – und eine Zumutung.
Matthes & Seitz, 552 S., 25 ¤