Donauwoerther Zeitung

Was der „Koloss auf Rügen“mit Donauwörth zu tun hat

Nationalso­zialisten, DDR–Regime und Sowjets waren einst mit dem monumental­en Gebäude befasst. Jetzt hat die Firma Unger dort gearbeitet

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Donauwörth Auf einer der schönsten deutschen Inseln, direkt am weißen Sandstrand gelegen, mit weitem Blick auf die Ostsee, steht der „Koloss von Rügen“. Rund 850 Kilometer trennen ihn von der Stadt Donauwörth – und doch gibt es eine Verbindung dorthin, die mit eben jenem Koloss – einem monumental­en Bauwerk – zu tun hat.

Malerische­r kann ein Standort für ein Urlaubsdom­izil kaum sein als dort, wo er steht: zwischen den Orten Sassnitz und Binz an der Prorer Wiek, einer Meeresbuch­t auf der Schmalen Heide mit ihrer bewaldeten Hügelkette, der Prora. Das dachten sich vermutlich im Jahr 1936 auch die Nationalso­zialisten, als sie exakt diesen Platz für das Ferienheim der Organisati­on Kraft durch Freude bauten. 20000 Menschen sollten dort gleichzeit­ig Urlaub machen können. Acht aneinander­gereihte Blöcke mit je sechs Stockwerke­n auf einer Länge von fast fünf Kilometern fügten sich zu diesem vom Größenwahn der Nazis geprägten Monstrum.

Doch die Geschichte wollte es anders, als die Planer und Auftraggeb­er vorgesehen hatten: Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Arbeiten am Rohbau eingestell­t. Ein Teil des Komplexes wurde als Ausbildung­sort für Luftwaffen­helferinne­n und als Polizeibat­aillon genutzt. Weite Teile waren unbewohnba­r.

Ab 1944 unterhielt die Wehrmacht dort ein kleines Lazarett. Drei Blöcke wurden zwischen 1945 und 1949 fast vollständi­g zerstört. Es blieben fünf Blöcke auf einer Länge von etwa 2,5 Kilometern. Gegen Ende des Krieges fanden zahlreiche Flüchtling­e aus den Ostgebiete­n dort eine Bleibe. Unter dem Regime der DDR begann 1950 der Ausbau des riesigen Gebäudekom­plexes, der kurz einfach Prora genannt wird. Er wurde eine der monumental­sten Kasernenan­lagen, die nacheinand­er von der Sowjetunio­n, der DDR und – nach der Vereinigun­g – der BRD militärisc­h genutzt wurde, bis die Bundeswehr vor etlichen Jahren von dort abgezogen wurde. Museen, Galerien und Cafés waren ebenfalls eine Zeit lang dort beherbergt. Doch verfielen die Gebäude mit der Zeit mehr und mehr.

Die Ästhetik der Architektu­r mag von jeher hinter die Funktional­ität des Gebäudes gestellt worden sein. Sachlich, kasernenar­tig, Hauptsache groß, weitestgeh­end frei von Charme – so lag der Koloss von Rügen viele Jahrzehnte an der Ostsee. Seit 2004 nun werden die Blöcke zu Wohn- und Hotelanlag­en umgestal- und damit weitgehend dem ursprüngli­chen Nutzen zugeführt. Hell und freundlich sollen sie werden, die Häuserblöc­ke, von denen jeder einzelne 500 Meter Länge misst.

Für einen von ihnen ist die Donauwörth­er Firma Unger zuständig. Sie hat den Auftrag für die Estricharb­eiten bekommen, da sich der von Geschäftsf­ührer Alexander Unger im Rahmen seiner Dissertati­on entwickelt­e Spezialest­rich besonders gut für die dortigen Räume eignet. „Ein bautechnis­ches Problem bestand nämlich darin, dass die Räume nur knapp 2,50 Meter hoch sind und insofern nur wenig Platz für einen modernen Fußbodenau­fbau zur Verfügung stand. Die Wärmetet schutzvors­chriften haben sich seit 1936 natürlich wesentlich verschärft“, so schildert Unger im Gespräch mit unserer Zeitung. Aus diesem Grund kommt dort nun ein Energiespa­r- und Sanierestr­ich aus dem Hause Unger zum Einsatz, der zum einen deutlich dünner verlegt werden kann als herkömmlic­he Zementestr­iche, sich zum anderen aufgrund seiner hohen Wärmeleitf­ähigkeit besonders gut für Fußbodenhe­izungen eignet.

Die Arbeiten auf Rügen zu bewerkstel­ligen, war „eine unglaublic­he logistisch­e Leistung“, wie sich Alexander Unger erinnert. „Wir mussten alles, vom Sand über Zusatzmitt­el bis zum Zement, per Fähre dorthin auf die Insel bringen.“Indes hat das Objekt den Aufwand gelohnt, wie der Firmeninha­ber bestätigt. Denn neben Schulen, Kindergärt­en und Privathäus­ern, die das Unternehme­n im Umkreis seiner Standorte Donauwörth, München und Chemnitz projektier­t, gibt es eben immer wieder auch besondere Aufträge wie diesen. „So etwas ist schon eine andere Nummer“, sagt Alexander Unger, „es ist immer schön, an einem solchen historisch­en Objekt mitzubauen.“

In diesem Sinne blickt die Firma auch gerne auf ihre Mitarbeit am Wiederaufb­au der Dresdner Frauenkirc­he zurück, auf die am Schneefern­erhaus auf der Zugspitze, an einer Privatvill­a in Usbekistan, einer Aldi-Filiale im englischen Swindon bei Bristol, einem Esprit-Shop in Paris und auf vieles andere mehr. Aktuell steht ebenfalls ein bekanntes Objekt im Auftragsbu­ch des Donauwörth­er Unternehme­ns: die Münchner Allianz-Arena.

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 ?? Foto: empur/Tom Bendix ?? Der „Koloss von Rügen“ist ein geschichts­trächtiges Gebäude. Die Firma Unger ist an der Sanierung beteiligt.
Foto: empur/Tom Bendix Der „Koloss von Rügen“ist ein geschichts­trächtiges Gebäude. Die Firma Unger ist an der Sanierung beteiligt.

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