Ein Glücksfall
Wie Architektur in unseren Städten und Gemeinden auszusehen hat, das bestimmen Bebauungspläne, die bis ins winzigste Detail reglementiert sind. Strenge – oft nicht nachvollziehbare – Kniestockhöhen, Dachneigungen und Firstrichtungen, Farben, Formen und Baumaterialien, Geschossflächen und, und, und zwingen uns Neubausiedlungen auf, die immer gleich und langweilig aussehen. Wohin man auch kommt, entstehen in aller Regel Wohngebiete, die im Prinzip verwechselbar sind und überall sein könnten. Der individuellen Vorstellung und Originalität der Eigenheimbesitzer oder Architekten werden so Grenzen gesetzt, zugunsten einer bürokratisch auferlegten Gleichmacherei.
Und jetzt gibt es da diesen Entwurf eines Rainer Planungsbüros, der so erfrischend anders ist, als alles was die Tillystadt an Architektur vorzeigen kann. Der mutig wagt, Grenzen zu sprengen und einmal die DIN-Normen hinter der Kreativität zurückzustecken. Dem man Inspiration ansieht und die Lust, mit Formen zu spielen, anstatt die amtlich vorgegebenen Schranken zum obersten Maßstab zu machen. Der zudem die Herausforderungen der vorhandenen räumlichen Situation annimmt. Und wo in Rain, wenn nicht am Standort in der Johannes-Bayer-Straße wäre so ein Objekt möglich? In einem „faktischen Mischgebiet“, wie die Verwaltung festgestellt hat. In einem langsam gewachsenen Viertel, wo es vom Einfamilienhaus bis zum Wohnblock, von der evangelischen Kirche und der Ditib-Moschee bis hin zur Tankstelle und zu gewerblich genutzten Immobilien alles mögliche gibt. So lange die älteren Rechte gewahrt bleiben, sollte es keinen vernünftigen Grund geben, die Baugenehmigung zu verweigern. Hat das Thema innerstädtische Nachverdichtung nicht oberste Priorität? Ist diese Fläche nicht ohnehin schon versiegelt? Und brauchen wir nicht dringend Wohnraum in Rain? – So gesehen ein Glücksfall! Und wer sich einmal entschließen wird, dort zu wohnen, weiß dann ohnehin um mögliche Einschränkungen durch gewerblich bedingte Ruhestörung und wird sie bewusst in Kauf nehmen. Keiner wird schließlich gezwungen, dort zu leben. Aber die Möglichkeit dazu sollte zumindest gegeben werden.