Eine Vision auf dem Prüfstand
Eine Bauvoranfrage für eine Wohnanlage konfrontiert den Rainer Stadtrat mit einem Entwurf, der als mutig und pfiffig bewertet wird. Gleichzeitig aber gibt es auch Ablehnung
Rain Grundstück Johannes-BayerStraße 7, im Areal zwischen KreisSeniorenheim und den Gleisanlagen der Bahn gelegen: Dort war in den 60er Jahren ein C&C-Großmarkt entstanden, dessen Gebäude derzeit als Lagerhalle und Verkaufsraum genutzt wird. Jetzt hat der Stadtrat Rain die Aufgabe, sich mit einer Bauvoranfrage auseinanderzusetzen, die den völlig charmefreien Zweckbau zu einem stilistisch interessanten Wohngebäude umfunktionieren will. „Das Konzept sieht vor, eine wellenförmige Leimholzkonstruktion auf das bestehende Flachdach zu stellen, die Ytong-Fassade auf der Südseite zu entfernen und beides mit einer großflächigen Verglasung zu versehen“, erklärte der Rainer Architekt Hansjakob Mener gegenüber unserer Zeitung. Er ist von einem Investor in Murnau mit der Planung beauftragt worden. Die bestehende Anlieferrampe wird durch eine zurückgesetzte Glasfassade zur Außenterrasse. Die Garagendächer werden begrünt und ebenfalls als Terrasse nutzbar. Das Industrie-Loft unter dem Dach wird mit einem System versehen, das dem Nutzer freistellt, wie er seine Wohnung gestalten möchte.
In der Stadtratssitzung am Dienstagabend gingen die Meinungen zu dieser Projektierung auseinander. Waren die meisten Stadträte, die sich zu Wort meldeten, von der modernen Architektur positiv angetan, so empfahl die Verwaltung in massiver Deutlichkeit, die Genehmigung zu verweigern. Die Argumente, die das Bauamt anführt und mit entsprechenden Paragrafen begründet, sind vielfältig.
Einmal geht es um die Lebensqualität der potenziellen Bewohner des Hauses. Für sie könnte es nachteilige Auswirkungen geben wie etwa Belästigungen durch die 24-StundenTankstelle und die Werkstatt für Landmaschinen im Norden. Zudem dürfte, so die Beurteilung des Bauamts, „eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung der Wohnungen im Norden und Westen nur schwer möglich sein.“Zum anderen seien Größe und Erscheinungsbild des geplanten Wohngebäudes im Verhältnis zu den umliegenden Häusern nicht verträglich. Ausgehend von der Grundfläche werde das Gebäude in Höhe und Gesamtkubatur „weit über den Bestand des Gebiets hinausragen. Durch sein Volumen wird es „einen erdrückenden Charakter aufweisen und die benachbarten Gebäude negativ beeinflussen“.
Zum Dritten werde die Optik im Viertel beeinträchtigt. Die Verwaltung kommt hier zu dem Schluss, dass „das Vorhaben störend für die Umgebung wirkt, da es sich um eine massive Dachausprägung in Form und Größe handelt.“In der Summe sieht die Verwaltung die Anforderungen an die gesunden Wohnverhältnisse nicht eingehalten, das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, das zulässige Maß der baulichen Nutzung nicht berücksichtigt und das Ortsbild beeinträchtigt.
Überraschend anderer Ansicht waren jene Stadträte, die sich äußerten – allerdings gaben nicht alle Fraktionen eine Stellungnahme ab. Eva-Maria Weber (BMB) fand, der Entwurf sei „optisch mal etwas ganz anderes“, eine Architektur, die man eher von Großstädten her kenne. Ihr gefiel der Loftcharakter, „den viele junge Leute bevorzugen“. Weber sagte: „Ich finde diese Nutzungsänderung gar nicht schlecht. Wir haben ohnehin viel Wohnbebauung in der Umgebung und es ist prinzipiell gut, neue Wege zu gehen und die Lagerhalle auf diese Weise umzugestalten.“Sie appellierte, offen zu sein für Neues. Zustimmung kam auch von Karl Rehm (PWG), der von einer „sehr pfiffigen Idee“sprach. Neuer Wohnraum in der Innenstadt, bezahlbar noch dazu – Architekt Mener spricht von einem „Low-Cost-Marketing“– und die Möglichkeit, diesen individuell anzupassen, waren seine befürwortenden Argumente. Die Auswirkungen der Tankstelle sah er „nicht so stark gegeben“. Josef Gawlik (WVRST) glaubte ebenfalls nicht, dass die Betriebe im Norden sich für die Bewohner eines solchen Hauses allzu stark bemerkbar machen. Vor allem auch deshalb nicht, weil der Bau laut Planung weitestgehend nach Süden hin ausgerichtet ist. „Ich finde das super und sehr hübsch!“, kommentierte er und ermunterte: „Mut zum Risiko!“
Sein Parteikollege Paul Strobl hingegen erwärmte sich nicht für den Entwurf. „Ich werde nicht zustimmen“, erklärte er im Hinblick auf den Nachtbetrieb der Tankstelle und auf die Tatsache, dass keine Nachbarunterschriften eingeholt wurden.
Zweiter Bürgermeister Leo Meier zeigte sich „überrascht von der jungen und modernen Meinung des Stadtrats“. Er sei grundsätzlich nicht gegen das Gebäude, wolle aber die Bedenken des Bauamts nicht von der Hand weisen. Er regte an, nochmals das Gespräch mit der Verwaltung zu suchen. Für Bürgermeister Gerhard Martin war die Gretchenfrage nicht die Ästhetik der Architektur. „Schön oder nicht schön, darum geht es an dieser Stelle nicht, sondern welche Probleme sich ergeben und ob sich das Objekt einfügt.“Er vertagte eine Entscheidung im Stadtrat mit der Maßgabe, die Verwaltung solle nochmals mit dem Bauherren in Kontakt treten und strittige Punkte klären.