Ein Lichtschein durch die Gitterstäbe
Domdekan Bertram Meier besucht die Kaisheimer Justizvollzuganstalt. An Heilig Abend ticken dort die Uhren anders
Kaisheim „Stille Nacht, Heilige Nacht“– das ist der Weihnachtsklassiker, sogar hinter Gittern, wie in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kaisheim. Der Heilige Abend lässt die Männer, die dort leben, nicht kalt. Aus voller Brust singen sie das Lied am Ende eines Gottesdienstes, den Domkapitular Prälat Bertram Meier mit den Inhaftierten gefeiert hat.
Auch im Knast wünscht man sich ein frohes Weihnachtsfest. Dabei ist hier an Heilig Abend doch alles ganz anders: Die Häftlinge reichen sich und den Besuchern die Hand zum Gruß. Da ist jede Abwechslung willkommen – auch die festliche Mette im Kinosaal. Doch um 15 Uhr ist alles vorbei, wenn die Zellen verschlossen werden. Das ist an Heiligabend nicht anders als an anderen Tagen.
„Dies ist ein Ort, an dem ich heute gerne bin“, sagt der Augsburger Domdekan Bertram Meier. Er wisse um die Not der Männer hinter Gittern. Er wisse, dass er „von draußen nach drinnen“gekommen sei, um den Gefangenen Mut und Zuversicht zu geben. Meier spricht die Häftlinge in seiner Predigt als Brüder an und verweist auf Papst Franziskus, der sich immer und jederzeit jenen Menschen zuwende, die nicht vom Glück beseelt worden seien.
Für die Meisten ist es nicht das erste Weihnachten im Knast. Für einige soll es das Letzte sein. Jedenfalls haben sie diesen Vorsatz. Alle versuchen, möglichst viel Normalität zu schaffen. Einer der Häftlinge trägt das Kreuz zur katholischen Messfeier im Saal. Prälat Meier tut alles, um eine besondere Fürsprache zu geben und nennt in seiner Ansprache alles beim Namen. Natürlich, so vermutet er, sei die Zahl der Freunde für jene kleiner geworden, die Weihnachten hinter Gittern verbringen. „Aber das Licht der Weihnacht geht auch durch die Gitter der Gefangenenzellen.“Ein Lichtblick könne das Fest der Liebe sein.
Auf eine Leinwand ist das Bild der Künstlerin Kristina Dittert projiziert, das sie erst vor wenigen Jahren gemalt hat. Anstalts-Seelsorger Michael Humml hat es ausgesucht, weil es Licht ins Dunkel bringe. In Jesus, der in Bethlehem geboren wurde, komme Gott zu den Menschen, sagt Humml zu den Häftlingen. Es vermag „Helligkeit in unser Leben zu bringen“.
Als Domdekan Meier den weihnachtlich geschmückten, abgedunkelten Saal betritt, drängen sich darin 120 Häftlinge, weniger als in den Jahren zuvor. Die Einsamkeit ist spürbar, auf den Fluren, im Kirchenraum und bei den Gefangenen. Meier appelliert, das Warten nicht aufzugeben. Der Gefangenenchor, ergänzt durch Mitglieder der Emmaus-Gruppe, und die Wallbacher Stubenmusik unter Leitung von Brigitte Wilhalm sorgen für eine festliche Atmosphäre. Nach dem Gottesdienst verteilt der Geistliche gemeinsam mit dem Anstalts-Seelsorger Süßigkeiten. Teelichter gibt es in diesem Jahr nicht, „aus Sicherheitsgründen“, wie es heißt. Der Domdekan nimmt sich auch Zeit, mit dem einen oder anderen Häftling ein paar Worte zu wechseln, was nicht immer gelingt, denn in der JVA Kaisheim büßen zahlreiche Ausländer aus Osteuropa ihre Haftstrafen ab.
Nach dem Gottesdienst nimmt sich Bertram Meier Zeit, für ein Gespräch in geselliger Runde. Drei Dutzend Insassen hat Anstalts-Pfarrer Humml eingeladen. Es sind Sehnsüchte, die bei diesem Treffen deutlich werden. Um 15.30 Uhr fällt aber dann auch für den letzten der derzeit etwas mehr als Gefangenen an Heilig Abend in Kaisheim die Zellentür ins Schloss. Und der Diözesanbesuch aus Augsburg eilt zum nächsten „Termin“: einem Weihnachtsgottesdienst im Augsburger Dom.