Donauwoerther Zeitung

Ein Lichtschei­n durch die Gitterstäb­e

Domdekan Bertram Meier besucht die Kaisheimer Justizvoll­zuganstalt. An Heilig Abend ticken dort die Uhren anders

- VON HELMUT BISSINGER

Kaisheim „Stille Nacht, Heilige Nacht“– das ist der Weihnachts­klassiker, sogar hinter Gittern, wie in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Kaisheim. Der Heilige Abend lässt die Männer, die dort leben, nicht kalt. Aus voller Brust singen sie das Lied am Ende eines Gottesdien­stes, den Domkapitul­ar Prälat Bertram Meier mit den Inhaftiert­en gefeiert hat.

Auch im Knast wünscht man sich ein frohes Weihnachts­fest. Dabei ist hier an Heilig Abend doch alles ganz anders: Die Häftlinge reichen sich und den Besuchern die Hand zum Gruß. Da ist jede Abwechslun­g willkommen – auch die festliche Mette im Kinosaal. Doch um 15 Uhr ist alles vorbei, wenn die Zellen verschloss­en werden. Das ist an Heiligaben­d nicht anders als an anderen Tagen.

„Dies ist ein Ort, an dem ich heute gerne bin“, sagt der Augsburger Domdekan Bertram Meier. Er wisse um die Not der Männer hinter Gittern. Er wisse, dass er „von draußen nach drinnen“gekommen sei, um den Gefangenen Mut und Zuversicht zu geben. Meier spricht die Häftlinge in seiner Predigt als Brüder an und verweist auf Papst Franziskus, der sich immer und jederzeit jenen Menschen zuwende, die nicht vom Glück beseelt worden seien.

Für die Meisten ist es nicht das erste Weihnachte­n im Knast. Für einige soll es das Letzte sein. Jedenfalls haben sie diesen Vorsatz. Alle versuchen, möglichst viel Normalität zu schaffen. Einer der Häftlinge trägt das Kreuz zur katholisch­en Messfeier im Saal. Prälat Meier tut alles, um eine besondere Fürsprache zu geben und nennt in seiner Ansprache alles beim Namen. Natürlich, so vermutet er, sei die Zahl der Freunde für jene kleiner geworden, die Weihnachte­n hinter Gittern verbringen. „Aber das Licht der Weihnacht geht auch durch die Gitter der Gefangenen­zellen.“Ein Lichtblick könne das Fest der Liebe sein.

Auf eine Leinwand ist das Bild der Künstlerin Kristina Dittert projiziert, das sie erst vor wenigen Jahren gemalt hat. Anstalts-Seelsorger Michael Humml hat es ausgesucht, weil es Licht ins Dunkel bringe. In Jesus, der in Bethlehem geboren wurde, komme Gott zu den Menschen, sagt Humml zu den Häftlingen. Es vermag „Helligkeit in unser Leben zu bringen“.

Als Domdekan Meier den weihnachtl­ich geschmückt­en, abgedunkel­ten Saal betritt, drängen sich darin 120 Häftlinge, weniger als in den Jahren zuvor. Die Einsamkeit ist spürbar, auf den Fluren, im Kirchenrau­m und bei den Gefangenen. Meier appelliert, das Warten nicht aufzugeben. Der Gefangenen­chor, ergänzt durch Mitglieder der Emmaus-Gruppe, und die Wallbacher Stubenmusi­k unter Leitung von Brigitte Wilhalm sorgen für eine festliche Atmosphäre. Nach dem Gottesdien­st verteilt der Geistliche gemeinsam mit dem Anstalts-Seelsorger Süßigkeite­n. Teelichter gibt es in diesem Jahr nicht, „aus Sicherheit­sgründen“, wie es heißt. Der Domdekan nimmt sich auch Zeit, mit dem einen oder anderen Häftling ein paar Worte zu wechseln, was nicht immer gelingt, denn in der JVA Kaisheim büßen zahlreiche Ausländer aus Osteuropa ihre Haftstrafe­n ab.

Nach dem Gottesdien­st nimmt sich Bertram Meier Zeit, für ein Gespräch in geselliger Runde. Drei Dutzend Insassen hat Anstalts-Pfarrer Humml eingeladen. Es sind Sehnsüchte, die bei diesem Treffen deutlich werden. Um 15.30 Uhr fällt aber dann auch für den letzten der derzeit etwas mehr als Gefangenen an Heilig Abend in Kaisheim die Zellentür ins Schloss. Und der Diözesanbe­such aus Augsburg eilt zum nächsten „Termin“: einem Weihnachts­gottesdien­st im Augsburger Dom.

 ?? Foto: Bissinger ?? Domdekan Prälat Bertram Meier (links) war an Heilig Abend zu Gast in der Justizvoll­zugsanstal­t Kaisheim. Nach einem Gottes dienst beschenkte­n er und Anstaltsse­elsorger Michael Humml (hinten) die Häftlinge – und zwar mit Süßem.
Foto: Bissinger Domdekan Prälat Bertram Meier (links) war an Heilig Abend zu Gast in der Justizvoll­zugsanstal­t Kaisheim. Nach einem Gottes dienst beschenkte­n er und Anstaltsse­elsorger Michael Humml (hinten) die Häftlinge – und zwar mit Süßem.

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