Geht der Papst als Reformer oder Gescheiterter in die Geschichte ein?
Franziskus befindet sich in der wichtigsten Phase seiner Amtszeit. Jetzt entscheidet sich, ob und wie er den Kurs der katholischen Kirche prägen wird
Eine Auslandsreise des Papstes – wie seine 22. nach Chile und Peru – ist immer eine gute Gelegenheit für eine Zwischenbilanz. Noch dazu ist Franziskus bald fünf Jahre im Amt. Zeit also für Antworten. Und zwar darauf: Wie genau will er die katholische Kirche reformieren – und kann ihm eine Reform überhaupt gelingen?
Papst Franziskus befindet sich in der entscheidenden Phase seines Pontifikats. Jetzt entscheidet sich, ob er als großer Reformer oder als großer Gescheiterter in die Geschichte eingehen wird. Deutlich wird das daran: Sowohl die Kritik an ihm als auch die Zweifel an seiner Durchsetzungsfähigkeit haben sich zuletzt massiv verschärft. So sehr, dass der Wiener Theologe Paul Zulehner und der Prager Religionsphilosoph Tomásˇ Halík die Initiative „Pro Pope Francis“ins Leben riefen. Sie ermutigen das Kirchenoberhaupt, vom „eingeschlagenen Weg nicht abzuweichen“. Jenen Weg, der Seelsorge und Barmherzigkeit in den Vordergrund rückt. Sie haben 68000 Unterstützer.
Scheitert Franziskus, ist die Chance auf eine tatsächliche Reform der schwerfälligen Kurie, des päpstlichen Verwaltungsapparates, erst einmal vertan. Wie vermutlich ebenso die Neuausrichtung auf eine den Menschen zugewandtere katholische Kirche. Es geht um Grundsätzliches: Was macht die Kirche und ihre Lehre in ihrem Kern aus – und wie kann sie erneuert werden? Dass Franziskus die Kirche verändert, ist weder zu übersehen noch zu überhören.
Das zeigt schon die Lautstärke, in der ihn seine Gegner kritisieren. Spätestens seitdem er in seinem Schreiben „Amoris laetitia“wiederverheirateten Geschiedenen die Möglichkeit zur Kommunion eröffnete, ist Franziskus bekannten Kardinälen und vermeintlich „Papst-Treuen“nicht mehr päpstlich genug. Sie sehen in ihm eine Gefahr, sozusagen einen obersten Zertrümmerer der Tradition. Seine Zwischenbilanz kann sich trotz aller Widerstände sehen lassen. Wenn man (an-)erkennt, dass seine Reform der Kirche nicht in handstreichartigen Umwälzungen besteht. Sondern in einer Verschiebung der Perspektive.
Die Kirche soll in erster Linie als nahbar erscheinen, nicht als ausschließend; soll Menschen begleiten und nicht Vorschriften machen; soll weg von „Patentrezepten“(Kardinal Walter Kasper) hin zur Würdigung von Einzelfällen.
„Amoris laetitia“bewirkte etwa, dass die Vorbereitung von Paaren auf die Ehe und ihre Begleitung in der Ehe eine größere Rolle spielen. Oder dass der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode jüngst einen sensationellen Vorstoß wagte. Die Kirche müsse über eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nachdenken, sagte er. Schweigen und Tabuisieren führten nicht weiter.
Während seiner Reise nach Chile und Peru wird es – neben diplomatischen Gesten und politischen Positionierungen des Papstes – wohl um ein weiteres Dauer-Debattenthema gehen. Und damit um eine mögliche erneute Öffnung der Kirche: für die Priesterweihe als vorbildlich angesehener verheirateter Männer, der „viri probati“. Das Amazonas-Gebiet als Testfeld für Ortskirchen in aller Welt? Ortskirchen, die in Absprache mit dem Vatikan eigenständige Wege einschlagen? Das ist ganz im Sinne des Papstes. Und so schreitet er in einem Tempo voran, das Kritiker schwindelig werden lässt. Heißt es gut, wenn andere ebenfalls voranschreiten. Schafft Fakten.
Der einflussreiche Wiener Kardinal Christoph Schönborn, den der Papst überaus schätzt, sagte: „Franziskus geht wirklich zum Teil sehr alleine voran. Aber er geht voran, das ist das Entscheidende.“Für die Kirche wäre es wünschenswert, wenn sie in der Zeit nach diesem Papst die Richtung nicht ändert.
Er schreitet voran und schafft Fakten