Der junge Mann, der die GroKo stoppen will
Kevin Kühnert ist erst seit einigen Wochen Juso-Chef. Doch nun ist er wichtigster Gegenspieler von Martin Schulz
Berlin Kevin Kühnert ist ein gefragter Mann in diesen Tagen, reiht Fernsehinterviews aneinander, wird ausgiebig in Zeitungen zitiert. Der Juso-Chef hat bei den Sozialdemokraten die Rolle des obersten Kämpfers gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition angenommen, er ist Mr. #NoGroKo.
Der Einfluss des SPD-Nachwuchses in der Partei ist eigentlich eher gering – doch Kühnert artikuliert eine Stimmung, die viele Mitglieder an der Basis teilen. Beim Widerstand gegen eine erneute Große Koalition ist Kühnert Überzeugungstäter. Auf dem SPD-Parteitag Anfang Dezember trat der 28-jährige Juso-Chef ans Rednerpult und warnte, dass eine Dauerkoalition mit der Union die Existenz der Sozialdemokraten gefährde. Gerade die Jugendorganisation der Partei habe „ein Interesse daran, dass hier noch was übrig bleibt von diesem Laden“. Kühnert steht seit Ende November an der Spitze der Jungsozialisten, der Juso-Parteitag in Saarbrücken wählte den bisherigen Stellvertreter zum Nachfolger von Johanna Uekermann.
Der gebürtige Berliner arbeitet neben seinem Studium der Politikwissenschaft für ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg sitzt er in der Bezirksverordnetenversammlung. Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Juso-Chef startete Kühnert eine Unterschriftenaktion gegen die Große Koalition, flankiert von einer Kampagne in sozialen Medien. Das Trommeln des Parteinachwuchses trug auch dazu bei, dass sich die SPD-Spitze auf einen Sonderparteitag einließ, der dem mit CDU und CSU ausgehandelten Sondierungsergebnis zustimmen muss. Wie die Entscheidung am Sonntag im Bonner World Conference Center ausfällt, ist ungewiss. Auf Bestreben der Juso sprachen sich bereits zwei Landesverbände gegen ein neues Bündnis mit der Union aus: vor Weihnachten die Genossen in Thüringen, am Wochenende in Sachsen-Anhalt.
Zwar stellen beide Landesverbände nur einen verschwindend geringen Anteil der Parteitagsdelegierten. Doch die SPD-Spitze dürfte mit Besorgnis zur Kenntnis genommen haben, dass sich die Versammlung im sachsen-anhaltischen Wernigerode von Kühnert und nicht vom Werben des Außenministers Sigmar Gabriel für Koalitionsverhandlungen überzeugen ließ.
Die Wortführerschaft gegen Schwarz-Rot hat den noch im Herbst außerhalb der SPD unbekannten Jungpolitiker auf die große Bühne katapultiert. Er ist nun so etwas wie der Gegenspieler von SPDChef Martin Schulz, der mit einer Deutschlandreise gegen die Skepsis in mehreren Landesverbänden ankämpft. Kühnert schaut auf einer „#NoGroKo-Tour“ebenfalls in den Parteigliederungen vorbei.
Auf Einladung des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland (VAP) erläuterte der Juso-Chef am Montag noch einmal seine Argumente gegen die „GroKo“: Die Verluste von CDU/CSU und SPD bei der Bundestagswahl seien „ein deutliches Zeichen“gewesen. Außerdem gehe es darum, die Oppositionsführerschaft der AfD im Bundestag zu verhindern. Das Sondierungspapier bestärkt Kühnert in seiner Haltung. „Viele zentrale Ziele der SPD“hätten nicht verankert werden können, sagte er und nannte die Bürgerversicherung und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Im Gegenzug habe die SPD vor allem in der Asylund Flüchtlingspolitik „sehr bittere Pillen“schlucken müssen.