So mache ich ein Museum erfolgreich
Bayerns Ausstellungslandschaft ist im Umbruch. Vor allem Häuser mit gesellschaftlich interessanten Themen und attraktivem Konzept werden auch künftig ihr Publikum finden. Wichtig bleibt ein Alleinstellungsmerkmal
Frau Pellengahr, kann man die Gründung neuer Museen heute noch verantworten?
Astrid Pellengahr: Das hängt davon ab, ob die Finanzierung langfristig gesichert ist und welches Alleinstellungsmerkmal dieses Museum hat. Man braucht im Bayerischen Wald nicht das fünfte Glasmuseum im Umkreis von 50 Kilometern. So viele Besucher kann die Region nicht generieren, und dieses Beispiel lässt sich auf alle Bereiche übertragen.
Was wäre denn ein Haus mit attraktivem Alleinstellungsmerkmal? Pellengahr: Das Deutsche Hutmuseum in Lindenberg ist so etwas Spezielles. Auch, weil dort die Ortsgeschichte am Beispiel der Hut-Industrie miterzählt wird. Damit kann man auch auswärtige Besucher anziehen; bei manch anderen Themen und Rahmenbedingungen muss man das schon sehr kritisch hinterfragen. Das Geld für eine Museumsgründung bringt man in der Regel zusammen, aber der Katzenjammer setzt dann mit der Eröffnung ein.
Sie meinen die Kosten für den Betrieb? Pellengahr: Ja, da sind wir rasch im sechsstelligen Bereich – je nach Museumsgröße und dem heute so wichtigen Vermittlungsprogramm. Eine digitale Strategie gehört dazu. Ein Trägerverein gerät da schnell an seine finanziellen Grenzen. Deshalb empfehlen wir in der Landesstelle, im Vorfeld äußerst genau zu prüfen, was auf Dauer finanziert werden kann.
Das fällt leichter, wenn es starkes regionales Interesse an einem Haus gibt. Pellengahr: Ich will Neugründungen ja gar nicht ausschließen. In den 1950er Jahren hätte niemand gedacht, dass es in Augsburg jemals ein staatliches Textilmuseum geben würde; damals ging es dieser Industrie noch gut. Aber heute erfüllt das Haus eine wichtige identitätsstiftende Aufgabe für die Stadt. Und es ist ein guter Ort, um sich mit den Hinterlassenschaften vorhergehender Generationen und ihrer Bedeutung für die Region zu beschäftigen. Das kann eine wunderbare Basis für die kritische Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft sein.
Apropos Zukunft: In manchen Museen kann man bereits online durch die Sammlungen surfen. Wie wirkt sich das auf die Besucherzahlen aus? Pellengahr: Ich denke, wir müssen die Definition von Besucherzahl neu einordnen. Bislang sind damit diejenigen gemeint, die in die Ausstellung kommen. Das ist richtig und das originale Exponat auch weiterhin wichtig. Untersuchungen zeigen aber, dass der digitale Besuch dazu keine Konkurrenz ist, sondern sogar neue Interessierte zu den Wissensschätzen der Museen finden.
Dann werden Museen bald auch an ihren Klickzahlen gemessen? Pellengahr: Man muss immer fragen, woher der Bedarf nach Kennzahlen kommt. Es ist eine völlig verkürzte Sicht, wenn man das Museum und seine Potenziale nur an Besucheroder Klickzahlen misst. Das wissen Museumsleute genau und hoffentlich auch ihre Träger. Gleichwohl stehen Museen unter öffentlichem Druck, gute Zahlen liefern zu müssen. Sozusagen als Rechtfertigung, dass die Institution existieren darf.
Wie wollen Sie das ändern? Pellengahr: Indem wir ein anderes Bild entgegensetzen. Das Museum hat noch viele andere Stärken, näm- lich ein Ort der Begegnung zu sein, der Reflektieren anregt. Das Charmante ist doch, dass unbeabsichtigtes Lernen stattfindet. Gerade Museen im ländlichen Raum haben eine ganz wesentliche Funktion. Wenn die letzte Wirtschaft am Ort geschlossen hat, kann das Museum ein wichtiger Treffpunkt werden. Und dann ist es nicht mehr entscheidend, ob nun 1000, 5000 oder 10 000 Besucher im Jahr kommen.
Nun ziehen vor allem neu eröffnete Museen Publikum an.
Pellengahr: Die haben einen anderen Standard als die alten. Aber entscheidend für die Attraktivität ist ein auf lange Sicht didaktisch gut gemachtes, inhaltlich durchdachtes Haus. Nehmen Sie das Stadtmuseum in Burghausen, das sich grundlegend und zielgruppenorientiert neu ausrichtet. Auch in Friedberg bei Augsburg und Deggendorf wird das Stadtmuseum neu konzipiert, genauso steht Erlangen in den nächsten Jahren an. Es tut sich wirklich viel in Bayern. In den kleineren Kommunen können die Häuser ihren Betrieb oft nur durch Ehrenamtliche aufrechterhalten. Aber die scheinen auszusterben. Pellengahr: Das Ehrenamt verändert sich grundlegend. Den ehrenamtlichen Kollegen, der mit 25 anfängt und 50 Jahre dabeibleibt, wird es nicht mehr geben. Mit der Tendenz zur Individualisierung nimmt die Bereitschaft ab, sich langfristig zu binden. Gleichzeitig sind viele Menschen bereit, sich ehrenamtlich zu betätigen. Das Potenzial ist da, wir brauchen allerdings eine neue Form des Ehrenamt-Managements. Wir werden mehr mit zeitlich begrenztem Engagement zu tun haben.
Was liegt bei den Museen im Trend? Pellengahr: Insgesamt gibt es ein großes Interesse an gesellschaftlich relevanten und historischen Themen. Und es gibt einen Trend zu naturkundlichen Museen. Das sind die klassischen Familienmuseen, die ihr Publikum auf sehr intelligente Weise ansprechen.